Liebe Leserinnen und Leser,
"All the leaves are brown/And the sky is grey/I’ve been for a walk/On a winter’s day/I’d be safe and warm/If I was in LA/ California Dreaming/On such a winter’s day," sangen The Mamas & the Papas 1965 (Braune Blätter, grauer Himmel, Winterspaziergang – in Los Angeles wäre es sicher und warm; Träumen von Kalifornien an solch einem Wintertag.)
Ich will Sie jetzt nicht auf den kalendarischen Herbstanfang an diesem Wochenende einstimmen und schon gar nicht Tourismuswerbung für Kalifornien machen, obwohl zahllose Popsongs von diesem Sehnsuchtsort handeln. Aber der US-Bundesstaat, für sich genommen die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, hat auch handfeste Probleme. Verschuldung, Arbeitslosigkeit und Lebenshaltungskosten explodieren, Menschen schuften in prekären Jobs, viele schlafen (trotz Job) in ihren Autos oder in Zelten.
Und dann wäre da ja noch die Klimakrise, die den Staat immer wieder mit Waldbränden, Hitzewellen, Rekorddürren, Tropenstürmen oder Überschwemmungen beutelt. Irgendwer muss dafür zur Verantwortung gezogen werden, sagte sich die (demokratische) Regierung in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento und erhob Klage gegen die fünf großen Ölkonzerne BP, Chevron, Exxon, Shell und Conoco Phillips und den Verband American Petroleum Institute. Seit Jahrzehnten, so Gouverneur Gavin Newsom, hätten die Ölmultis wider besseres Wissen die Folgen der Nutzung fossiler Energien heruntergespielt und „Falschinformationen verbreitet”.
Tatsächlich ist mittlerweile gut belegt, dass etwa Exxon seit Ende der Siebzigerjahre bestens Bescheid wusste über den Treibhauseffekt und seine möglichen Folgen. Als die Wissenschaft ein paar Jahre später immer lauter Alarm schlug, wurde der Konzern aktiv – aber nicht, indem er die Verbrennung von Öl und Gas drosselte, sondern indem er gemeinsam mit anderen Unternehmen die Global Climate Coalition gründete. Einziger Daseinszweck der Lobbygruppe: Zweifel an der Forschung schüren, um zu verhindern, dass Regierungen allzu übereifrig Maßnahmen zur Eindämmung der Klima-Emissionen ergreifen. Damit waren die „organisierten Klimaleugner“ (Wikipedia) auch äußerst erfolgreich.
Mit der Klage will Kalifornien nun die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für künftige Klimaschäden erreichen. Sollte sie damit erfolgreich sein, dürfte das Signalwirkung für kleinere US-Bundesstaaten haben. Derzeit klagen auch Connecticut, Delaware, Massachusetts, Minnesota, New Jersey, Rhode Island und Vermont gegen “Big Oil“, ganz abgesehen von diversen Städten und einer großen Zahl von Privatpersonen, die ihrerseits auch staatliche Institutionen verklagen.
Weltweit haben sich die Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel seit 2017 verdoppelt, wie eine Studie des UN-Umweltprogramms UNEP und des Sabin Center für Klimarechtsprechung an der New Yorker Columbia-Universität festgestellt hat: 2180 Fälle haben die Forschenden gezählt, davon mehr als 1500 allein in den USA. Es klagen Städte und Gemeinden, pazifische Inselstaaten und Umweltverbände, junge Menschen, Landwirte, Indigene, Seniorinnen…
Dank der Attributionsforschung kann die Wissenschaft den Anteil der Erderhitzung an Wetterextremen mit katastrophalen Folgen immer besser berechnen, das macht es Klägerinnen und Klägern leichter. Doch auch wenn Gerichte, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, pro Klimaschutz urteilen, für Regelwerke gegen den Anstieg der CO2-Emissionen ist weiterhin die Politik verantwortlich. Da werden dann auch gern mal mit Blick aufs Wahlvolk Maßnahmen verschoben wie in Großbritannien oder Klimaschutzgesetze entschärft wie in Deutschland.
Die Gerichtsverhandlungen werden wohl kaum so dramatisch ablaufen wie in amerikanischen Anwaltsfilmen oder -serien, sicher wird auch nicht jede mit einem Erfolg enden, aber zu siegesgewiss sollten sich die Ölkonzerne auch nicht sein. Da könnten sie mal die Hersteller bleihaltiger Farbe fragen, die trotz ihres Wissens um die Schädlichkeit ihrer Produkte diese weiter bewarben und vertrieben. Kalifornische Bezirke und Gemeinden klagten, die Sache endete mit einem teuren Vergleich: 305 Millionen US-Dollar zahlten die Unternehmen in einen Entschädigungsfonds. Die Summe dürfte bei Klimafolgeschäden um einiges höher liegen.
Macht gar nichts, die Öl- und Gasindustrie hat jahrzehntelang prächtig verdient mit der Zerstörung der Welt. Nachzulesen im aktuellen Greenpeace Magazin mit dem passenden Titel „Die Dunkelmänner“.
Weg also von fossilen Brennstoffen, hin zu Wind und Sonne: In unserer letzten Ausgabe der Wochenauslese wollten wir von Ihnen wissen, was Sie von einer Solarpflicht für Dächer halten. Sie haben abgestimmt: 67,7 Prozent von Ihnen sind dafür, 29,4 Prozent möchten Sie nur für Neubauten einführen – und nur 2,8 Prozent stimmten dagegen. Diese Woche möchten wir gern von Ihnen wissen: Essen Sie Fleisch? Oder zählen Sie zu den mittlerweile über zehn Prozent der Deutschen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren? Abstimmen können Sie hier. Die Ergebnisse erfahren Sie wie immer in der nächsten Wochenauslese.
Zuletzt noch ein Hinweis in eigener Sache: In dieser Woche fand die erste Videokonferenz des Greenpeace Magazins statt. Wir haben uns sehr über die rege Teilnahme gefreut und darüber, mit unseren Leserinnen und Lesern ins Gespräch zu kommen. Wir möchten den Austausch mit Ihnen gern fortsetzen und Sie herzlich zu unserer nächsten Videokonferenz am Donnerstag, den 12. Oktober um 18 Uhr einladen. Was mögen Sie am Magazin? Was weniger? Welche Themen schätzen, welche vermissen Sie? Wenn Sie Lust haben, uns Ihre Meinung zu sagen oder uns besser kennenzulernen, melden Sie sich gern per Antwort an diese Mail an oder unter gpm@greenpeace-magazin.de. Wir schicken Ihnen dann eine Einladung.
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Ich wünsche ein ganz und gar nicht düsteres Wochenende!
Kerstin Eitner
Redakteurin
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