Liebe Leserinnen und Leser,
nun soll es also kommen: das seit Langem geforderte Lobbyregister. Natürlich nicht einfach so, weil die Regierung plötzlich zu der Einsicht gelangt wäre, dass es sich dabei um eine prima Idee handelt. Wie so oft mussten erst ein paar Affären und Skandälchen, einiges Anrüchige und manch Fragwürdiges ans Licht kommen, bevor die Dinge in Bewegung gerieten. Wenn ich sage „ans Licht kommen“, dann meine ich: durch Recherchen von Nichtregierungsorganisationen und Presse.
Wir erinnern uns: Der junge CDU-Abgeordnete und Hoffnungsträger Philipp Amthor schreibt einen Werbebrief für ein New Yorker Start-up namens Augustus Intelligence an Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ebenfalls CDU, und vermittelt zwei Treffen zwischen dem damaligen Parlamentarischen Staatssekretär des Ministeriums und der besagten Firma. Kurz darauf wird Amthor in deren Aufsichtsrat berufen.
Er selbst schreibt später auf Instagram, es handele sich um ein „Unternehmen, das in einem für die ökonomische und sicherheitspolitische Zukunft wichtigen Themenfeld arbeitet“. Kann man so sagen. Konkret geht es um die Entwicklung von Technologien im Bereich Künstliche Intelligenz und Gesichtserkennung, sprich: zielgenaue Überwachung und Kontrolle durch Algorithmen. Ein Traum für Law-and-Order-Fans, (Ex)-Geheimdienstleute und Befürworter einer Privatisierung von Sicherheitsaufgaben. Für alle anderen: eher ein Albtraum.
Jedenfalls kommt nach der Sache mit Amthors Aufsichtsratsposten heraus, dass ihm auch Aktienoptionen der Firma im Wert von etwa 250.000 Dollar zustehen. Amthor gerät unter Druck, auch in der eigenen Partei. Er zieht seine Bewerbung für den Parteivorsitz der CDU in Mecklenburg-Vorpommern zurück, beendet seine Arbeit in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und auch seine Nebentätigkeit bei Augustus Intelligence. Der Bundestag kommt zwar zu dem Schluss, ihm seien keine Rechtsverstöße nachzuweisen, aber Amthor räumt ein, sein Verhalten sei politisch nicht besonders klug gewesen.
Noch ein anderer hat sich, wie kürzlich bekannt wurde, an höchster Stelle für Augustus Intelligence stark gemacht: Karl-Theodor zu Guttenberg, gewesener CSU-Bundesminister, erst für Wirtschaft und dann für Verteidigung. Ja, der mit der Doktorarbeit. Auch er war mit dem Unternehmen verbandelt, erst als Aktionär, später als Mitglied des Verwaltungsrats. Bei einem Treffen mit der Bundeskanzlerin im September 2019 setzt er sich nicht nur für die New Yorker Firma ein, sondern auch für eine deutsche Firma namens Wirecard, die mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gelangt ist. Brisant an diesem Treffen ist auch, dass das Bundeskanzleramt dem Linken-Abgeordneten Fabio De Masi gegenüber auf dessen Nachfrage Anfang Juli zwar über eine E-Mail von Guttenberg berichtete, nicht aber über das Treffen.
Falls bislang noch jemand Zweifel hatte, wozu wir ein Lobbyregister brauchen: Spätestens jetzt dürften sie ausgeräumt sein. Auch der Widerstand seitens der Regierungsmitglieder von CDU und CSU bröckelt. Ein Gesetzentwurf wird erarbeitet. Ende gut, alles gut? Noch nicht ganz. Organisationen wie Abgeordnetenwatch und LobbyControl kritisieren in einem Offenen Brief die „Schmalspurlösung“. Ihnen missfällt zum Beispiel, dass ausgerechnet Kanzleramt und Bundesministerien außen vor bleiben sollen. Mittlerweile haben sich Union und SPD darauf geeinigt, dass noch mal nachgebessert werden muss.
Wenn die Regierung nun schon mal beim Großreinemachen ist, könnte sie eigentlich gleich eine andere kleine Baustelle mit abräumen. Denn man war im Verlauf der Wirecard-Enthüllungen doch einigermaßen fassungslos, dass es Mitarbeitern der dem Finanzministerium unterstehenden Aufsichtsbehörde Bafin offenbar erlaubt ist, mit Aktien von Firmen zu handeln, die sie gerade untersuchen. Und welche Aktie war in Bafin-Kreisen zwischen Anfang 2019 und Mitte 2020 der heißeste Geheimtipp? Richtig, die Wirecard-Aktie!
Für uns alle ist es von Interesse, wie sich die Dinge beim Thema Lobbyismus entwickeln, denn es betrifft uns direkt, ob und das passt oder nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Menschen auf der Suche nach Filmstoffen ganz besonders aufmerksam sein werden. Da könnte es Angebote geben, die man einfach nicht ablehnen kann.
Kerstin Eitner
Redakteurin
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