Die Skala für die Energieeffizienz von Haushaltsgeräten ist nicht gerade ehrgeizig und hilft eher beim Greenwashing als beim umweltbewussten Wäsche waschen. Die EU überarbeitet das Notensystem – doch schon zeichnet sich erneuter Reformbedarf ab. Ein Beitrag aus dem Greenpeace Magazin 4.22 „Hunger und Flucht“
Der Kühlschrank ist oft schon beim Einzug da. Teil der Einbauküche, schon ein paar Jahre alt, im Innern klebt vielleicht ein Aufkleber „Energieeffizienzklasse A“. Besser geht’s nicht, für die Stromrechnung und das Klima, schließlich ist das A der erste Buchstabe im Alphabet, denkt man sich. Und irrt. Denn bei der Energieverbrauchskennzeichnung, wie die grünen, gelben und roten Balken etwas sperrig heißen, gilt ein anderes Alphabet. Lange Zeit stand etwa bei Kühlschränken vor dem A noch das A+, vor ihm das A++, und wiederum davor das A+++. Mit seinem schlichten A wäre der alte Einbaukühlschrank in der neuen Wohnung ökologisch gesehen also alles andere als erste Wahl, sondern höchstens Mittelmaß.
1994 eingeführt, sollten die Energieetiketten eigentlich all jenen Orientierung bieten, die zum Beispiel einen neuen Kühlschrank oder eine Waschmaschine anschaffen wollen. Von A bis G, von Grün bis Rot – ein Ampelsystem, wie es als Wegweiser im Konsumdschungel mittlerweile vielfach etabliert ist. Und das Wirkung zeigte: Die Unternehmen entwickelten immer effizientere Geräte, denn der Stromverbrauch wurde im ständig wachsenden Sortiment zum wichtigen Kaufargument. Verbrauchte etwa ein durchschnittlich großer Kühlschrank 1990 noch 412 Kilowattstunden im Jahr, sind es heute nur noch 169. Achtzig Prozent der Europäerinnen und Europäer lassen sich von dem Energielabel leiten, wenn sie ein entsprechendes Gerät kaufen, ergab 2019 eine EU-weite Umfrage.
„Die Effizienzklassen sind ein Stück weit Opfer ihres eigenen Erfolges geworden“, so drückt es Ina Rüdenauer aus, die am Öko-Institut in Freiburg zu nachhaltigem Konsum und der Ökobilanz von Produkten forscht. Denn die Anforderungen der Effizienzklassen wurden nicht dem technischen Fortschritt angepasst. Bei ihrer Einführung Mitte der Neunzigerjahre erreichte ein durchschnittlich effizienter Kühlschrank die Klasse C. Dank besserer Technik und Dämmung fielen fünf Jahre später fast neunzig Prozent der Geräte in Klasse A oder B. Doch anstatt das System grundlegend zu reformieren, differenzierte die EU die beste Klasse mit Pluszeichen immer weiter aus. Gleichzeitig entfielen die schlechteren Klassen faktisch, nachdem Mindeststandards eingeführt wurden. Wäschetrockner etwa sind seit 2013 nur noch zugelassen, wenn sie mindestens den Kriterien der Klasse C entsprechen.
So wurden die Geräte mit eindeutig schlechten Noten schleichend weniger – während selbst stromhungrige Exemplare noch eine passable Effizienz vortäuschten. „Verbraucher nehmen keinen relevanten Unterschied zwischen den Klassen A+++ und A++ wahr“, sagt Ina Rüdenauer. Deshalb seien nur die wenigsten bereit gewesen, mehr Geld für die beste Klasse auszugeben. Ein Plus mehr oder weniger, das klingt nach Nuancen. So wie in der Schule: Natürlich ist eine 1+ noch besser als eine 1, aber „sehr gut“ ist die schließlich auch. Die Unterschiede bei den Gerätenoten sind jedoch gewaltig. Ein Kühlschrank der Klasse A+ verbraucht bis zu doppelt so viel Strom wie ein Modell der Klasse A+++.
Verwirrende Reform
Angesichts steigender Energiekosten amortisieren sich die tendenziell teureren Geräte mit der höchsten Effizienz immer schneller. Und aus Klimasicht lohnen sie sich ohnehin. Neben mehr Energie aus erneuerbaren Quellen soll nach dem Willen der EU auch effizientere Technik zum Erreichen der Klimaziele beitragen. Und 42 Prozent des Stroms, den Haushalte durchschnittlich verbrauchen, entfallen auf Spül- und Waschmaschine, Herd, Kühlschrank und Wäschetrockner.
Um das europäische Energielabel wieder zur echten Orientierungshilfe beim Gerätekauf zu machen, wird das Klassensystem nun reformiert – beziehungsweise zurückgesetzt. Von A bis G, von Grün bis Rot soll die Skala wieder reichen. Im März 2021 hat die EU mit der Umstellung begonnen. Wasch- und Spülmaschinen, Kühlschränke und Fernseher werden seit Frühjahr vorigen Jahres strenger eingeordnet, Leuchtmittel seit Herbst. Backöfen müssen noch bis 2024 warten, und erst 2030 werden dann wirklich alle Produkte anhand einer reformierten Skala bewertet.
Das Kopfschütteln von Gerhild Loer von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist selbst durchs Telefon vernehmbar: „Wir finden es zwar gut, dass das Energielabel wieder eindeutiger wird, aber fragen uns gleichzeitig, warum man das nicht zeitlich besser abgestimmt hat.“ Es sei kaum nachvollziehbar, warum man beim Kauf einer Waschmaschine nach der Note A suchen solle, der beste Wäschetrock ner aber nach wie vor mit A+++ ausgezeichnet werde. „Und bei Wasch-Trockner- Kombinationen wiederum ist A die Bestnote. Wer blickt da durch?“ Gut an der Reform seien allerdings die realistischeren Daten zum Stromverbrauch, die neben der Farbskala auf den Energie etiketten stehen. Bei Waschmaschinen etwa beziehen sie sich nun auf hundert Waschladungen im Ökoprogramm. Früher war hier nur ein Jahresverbrauch angegeben, dem 220 Wäschen zugrunde lagen. Das entspricht allerdings einem Haushalt mit vier Personen – „die sind aber immer seltener“, sagt die Verbraucherschützerin. Drei Viertel der Haushalte in Deutschland bestehen nur aus einem oder zwei Menschen.
Wer den Kilowattstundenpreis seines Stromversorgers kennt, kann anhand des Verbrauchs einfach errechnen, wie hoch die Kosten für Kühlschrank oder Waschmaschine tatsächlich ausfallen. Weitere Informationen soll ein QR-Code auf den Etiketten liefern, der zur europäischen Datenbank Eprel führt, die technische Produktinformationen enthält – eine wenig hilfreiche Datenwüste, urteilt allerdings Loer: „Wir sehen keinen Mehrwert bei der Kaufentscheidung.“ Sie wünscht sich transparente und leicht vergleichbare Angaben, etwa zur tatsächlichen Höhe der Energiekosten. Wer die etwa fürs Waschen ausrechnen möchte, kann den Online-Rechner der Verbraucherzentrale nutzen.
So holen Sie viel Öko raus
Ein kleiner Einkaufsratgeber für neue Haushaltsgeräte:
Waschmaschine
Beim Waschen spart man vor allem mit möglichst niedrigen Temperaturen und einer voll beladenen Maschine. Für ein bis zwei Personen reicht ein Fassungsvermögen von fünf Kilogramm, für eine Familie mit zwei Kindern fünf bis sieben Kilogramm.
Wer eine Wärmepumpe hat oder sein Wasser mit Solarenergie erhitzt, für den kann eine Maschine mit Warmwasseranschluss sinnvoll sein.
Leise Maschinen bestehen meist aus höherwertigen Komponenten, was ihre Lebensdauer erhöhen kann. Sie ist bei Waschmaschinen der stärkste ökologische Hebel.
Kühlschrank
Auch hier gilt: Auf die Größe achten, denn die ist für den Stromverbrauch entscheidend. Den Kühlschrank nicht an einem heißen Ort aufstellen, zum Beispiel nicht neben dem Herd.
Geräte mit Abtauautomatik verbrauchen zwar für diese Funktion etwas zusätzlichen Strom, können das aber auf Dauer wettmachen, weil sie nie vollständig abgetaut werden müssen – und weil schon ein Zen timeter Eis ringsum im Gefrierfach dessen Stromverbrauch verdoppelt.
Kühlschränke stellt man am besten auf sieben Grad ein – jedes Grad weniger erhöht den Strom verbrauch um etwa sechs Prozent.
Das größte Manko der Reform ist allerdings, dass sie die Effizienzziele zu niedrig steckt. Bereits jetzt erfüllen einige Waschmaschinen und Kühlschränke die Kriterien der Bestnote A, dabei sollte in der Kennzeichnung eigentlich Luft nach oben sein, um die Firmen zu motivieren, ihre Produkte weiter zu verbessern. Laut EU sollte es noch mindestens zehn Jahre dauern, bis Geräte in die Spitzenkate gorie gelangen. „Wenn einige Geräte das jetzt schon schaffen, ist absehbar, dass das System bald wieder reformiert werden muss“, befürchtet Verbraucherschützerin Loer. Das Öko-Institut hat vergangenes Jahr ermittelt, dass schon zwölf Prozent aller Waschmaschinen Klasse A erreichen. Ausschlaggebend für die Einstufung ist hier der Verbrauch im Energiesparprogramm. Die meisten Hersteller erzielen hier allerdings nicht dank technischer Innovation die Bestnote. Nach dem Prinzip des „Sinner schen Kreises“ beeinflussen vier Faktoren die Reinigung: die eingesetzte Chemie, die mechanische Bearbeitung, die Temperatur und die Zeit. Wird ein Faktor verringert – in diesem Fall die energieaufwendige Temperatur – muss ein anderer dafür erhöht werden. Im Falle der Sparprogramme ist das die Zeit. „Nach den Kriterien der EU darf so ein Waschgang bis zu vier Stunden dauern, was im Privatgebrauch nicht optimal ist“, sagt Rüdenauer. Allerdings kann man bei modernen Wasch- und Spülmaschinen eine Wunschzeit für den Start einstellen, sodass die Geräte fertig sind, wenn man nach Hause kommt.
Wann lohnt ein Kauf?
Wann lohnt sich also der Kauf eines neuen Geräts? Bei Kühlschränken ist es laut Öko- Institut unter Umweltaspekten sinnvoll, einen neuen anzuschaffen – natürlich einen Klassenprimus –, wenn der bisherige Klasse B oder schlechter ist. Bei Geräten der Klassen A und A+ sollte man zumindest beim nächsten Defekt lieber ein effizienteres Gerät kaufen, statt das alte zu reparieren. Waschmaschinen dagegen sollten so lange wie möglich laufen. „Eine Reparatur ist ökologisch gesehen besser als ein Austausch“, sagt Ina Rüdenauer. Denn die Herstellung sei wesentlich energieaufwendiger und ressourcenintensiver als die von Kühlschränken. Das Öko- Institut hat errechnet, dass eine hoch wertige Waschmaschine, die zwanzig Jahre hält, gut eine Tonne weniger CO2-Äquivalente verursacht als vier Billigwaschmaschinen, die nach je fünf Jahren ersetzt werden müssen.
Wer ein neues Gerät anschafft, dem bietet etwa das Portal EcoTopTen des Öko- Instituts Orientierung. Wer lieber ins Geschäft geht, sollte sich im Klaren sein, dass die Elektromärkte nicht unbedingt die umweltverträglichsten Geräte vorrätig haben, sondern die, an denen sie gut verdienen. Da hält man es am besten wie bei der Ärztin: Den Mund aufmachen und laut „A“ sagen.
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