Maike Voss leitet das „Centre for Planetary Health Policy“ in Berlin. Ihre Mission: Klimaschutz und Gesundheit zusammen denken und in konkrete Politik umsetzen. Ein Gespräch über das Recht auf Lebensqualität, die Tigermücke und labbrige Käsescheiben im Krankenhaus.
Den ersten Termin hatte sie kurzfristig absagen müssen, wegen Krankheit, ausgerechnet. Husten und Fieber, was man sich eben so fängt in der unschlüssigen Berliner Jahreszeit zwischen wintergrau und frühlingsgrün. Jetzt aber sitzt Maike Voss, 35, energiegeladen in ihrem Büro in Kreuzberg, direkt an der Spree. Ihre Kindheit in Schleswig-Holstein verbrachte die Gesundheitswissenschaftlerin – passend zu ihren heutigen Aufgaben – wechselweise als neugieriges Kind in der Arztpraxis ihrer Großmutter oder mit Kühen, Eseln oder auf dem Pony, Hauptsache draußen.
Der Gedanke, dass planetare und menschliche Gesundheit miteinander verwoben sind, liegt nahe: Ohne sauberes Wasser, ohne gesunde Luft zum Atmen und ohne fruchtbare Böden und Pflanzen, die uns ernähren, wäre es mit der Menschheit schnell vorbei. Umwelt- und Klimaschutz ist daher gleichzeitig immer auch Gesundheitsschutz – und umgekehrt. Aber wie verwandelt man diese Erkenntnis in konkrete Politik, die sich immer noch damit schwertut, in Vorsorgedimensionen zu denken anstatt hinterher aufwendig zu reparieren? Und wie lässt sich ein Gesundheitssystem transformieren, das eher Kranke versorgt als Krankheiten verhindert?
Maike Voss arbeitet seit 2022 als geschäftsführende Direktorin des Centre for Planetary Health Policy (CPHP) daran, diese Fragen zu beantworten, mit eigener Forschung, Politikberatung und Vernetzung. Ende 2023 organisierte das von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) gegründete Zentrum das erste deutsche „Planetary Health Forum“. Zu der Konferenz kamen Fachleute aus unterschiedlichsten Disziplinen zusammen, darunter Francesca Racioppi (Europazweig der Weltgesundheitsorganisation, WHO), Stefan Rahmstorf (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), Klaus Reinhardt (Bundesärztekammer), Lea Dohm (Psychologists for Future), Doris Pfeiffer (Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen) und Eckart von Hirschhausen (Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen). Mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Umweltministerin Steffi Lemke konnten jene Kabinettsmitglieder als Schirmherr und Schirmherrin gewonnen werden, auf die es beim Zusammendenken von Umwelt und Gesundheit ankommt.
Viel Zeit bleibt nicht – in den vergangenen zwanzig Jahren starben in Folge des Klimawandels dreißig Prozent mehr Menschen in Europa durch Hitze als vorher. Laut einer EU-Studie könnte die wirtschaftliche Produktivität aufgrund klimakrisenbedingter Arbeitsausfälle in wenigen Jahren um bis zu 15 Prozent sinken.
Die weltweiten Temperaturrekorde gehen seit Jahren durch die Decke, die Menschheit entlässt so viele Treibhausgase in die Atmosphäre wie noch nie. Die gesundheitlichen Folgen für viele von uns sind gravierend. Ganz ehrlich, Frau Voss, wie schlimm wird es?
Es wird auf keinen Fall besser und es bedarf einer großen Kraftanstrengung, um überhaupt den Status quo zu halten. Das Thema Hitze ist dabei elementar, vor allem mit Blick auf kleine Kinder, ältere Menschen, solche mit chronischen Erkrankungen oder Obdachlose. Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten aufheizt. Hitze ist in Deutschland das größte klimawandelbedingte Gesundheitsrisiko – auch, weil wir so schlecht vorbereitet sind. Länder wie Italien oder Frankreich haben aus Erfahrungen früherer Hitzewellen mit Tausenden Toten besser gelernt.
Was machen die besser?
In Frankreich ist bereits seit 2004, also ein Jahr nach dem Hitzesommer 2003, ein nationaler Hitzeaktionsplan in Kraft, mit klar definierten Verantwortlichkeiten und Aufgaben. Dazu gehört beispielsweise ein landesweites Risikoregister für vulnerable Personen, die bei Hitzewellen proaktiv durch die Gemeinden kontaktiert werden. Italien hat seinen nationalen Hitzeaktionsplan 2005 vorgestellt, mit konkreten Schutzmaßnahmen für besonders Gefährdete sowie einem Warnsystem samt klarem Ablaufplan, was wer wann tun muss. In Deutschland ist das nicht einheitlich geregelt, auch sind Arztpraxen, Wetterdienste, Notfalleinrichtungen, Pflegeheime, Gesundheitsämter und andere relevante Institutionen manchmal vor Ort sehr gut, teilweise aber auch gar nicht vernetzt.
Wie wichtig sind Veranstaltungen wie der Nationale Hitzeaktionstag am 5. Juni?
Hitze ist ein Türöffner für die Themen Klimawandel, Umwelt und Gesundheit. Aber es geht noch um mehr: Wir müssen zum Beispiel Artenvielfalt und Artenschutz mitdenken. Was passiert etwa, wenn die Tigermücke aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen nach Deutschland kommt und infolge des starken Einsatzes von Pestiziden keine natürlichen Fressfeinde mehr hat? Wir werden früher oder später auch hier Fälle von Denguefieber haben, von Malaria, vom West-Nil-Fieber. Gesundheitsämter, Arztpraxen und Krankenhäuser müssen sich heute schon darauf vorbereiten. Das muss in Zusammenarbeit mit jenen passieren, die Veränderungen in der Umwelt beobachten, also mit der Wissenschaft und den NGOs.
Umwelt und Gesundheit zusammendenken – gab es das vorher nicht?
Teilweise schon, aber nicht mit einem systematischen Ansatz, der beide Bereiche auch wirklich vernetzt. Es gibt da tatsächlich noch Berührungsängste und unterschiedliche Herangehensweisen, eine eigene Sprache und Logik. Beim Umweltschutz geht es um die Natur als Ganzes, für Medizinerinnen und Mediziner eher um den einzelnen Menschen. Es ist noch ungewohnt, das zusammenzubringen.
Was soll dabei herauskommen?
Wir können doch gar nicht anders, als uns um den Planeten zu kümmern, wenn wir uns um uns kümmern wollen. Die Umweltwissenschaften sind um einiges besser darin, in die Zukunft zu sehen. Die Gesundheitswissenschaften schauen eher in die Vergangenheit und überlegen sich zum Beispiel, wo Krankheitserreger herkommen oder welche Risikofaktoren es gibt. Zukünftig müssen Klimaszenarien und Prognosen für die Entwicklung von Krankheiten zusammengedacht werden.
Wird das Gesundheitssystem heute zu sehr von der Krankheit her bestimmt statt von der Erhaltung der Gesundheit?
Den Satz unterschreibe ich sofort. Medizinerinnen und Mediziner sind darauf trainiert, zu begleiten und bestenfalls zu heilen. Natürlich gibt es heute schon Prävention – Ernährungsberatung zum Beispiel oder die Hausärztin, die sagt: Lassen Sie mal die Zigaretten beiseite. Aber das ist nicht die Art Prävention, die wir eigentlich benötigen. Wir brauchen eine Lebensumgebung für Menschen, die insgesamt gesundheitsfördernd ist, also dort, wo sie leben, wo sie arbeiten, wo sie spielen, wo sie lernen. Da müssen wir hinschauen und fragen: Ist die Luft gut? Ist das Essen auf den Tellern gesund? Wie ist die Trinkwasserqualität?
Das sind gerade nicht die Fragen, die in unserem krisengeschüttelten Gesundheitssystem eine große Rolle spielen, obwohl dort Milliarden Euro verteilt werden.
Das ist ein System, von dem viele profitieren. Aber es braucht einen viel stärkeren Fokus auf Prävention und Gesundheitsförderung. Und damit meine ich nicht nur, was in den Arztpraxen oder im Krankenhaus passiert. Es geht auch um Gesundheitsförderung in der Kommune, in der Schule, im Kindergarten, in den Betrieben. Und auch um die Art und Weise, wie wir unsere Städte gesünder und lebenswerter machen und entwickeln (bitte lesen Sie auch: „Stadtplanung“ auf Seite 28). Wir erleben ein extrem angespanntes Gesundheitssystem, das total unter Druck steht, unter Kostendruck, einer älter werdenden Gesellschaft, Fachkräftemangel und Digitalisierungsdruck, denn auch das wurde verschlafen. Deswegen müssen wir fragen: Wie kriegen wir diesen Druck raus? Ich bin mir sicher, dass wir durch Gesundheitsförderung und Prävention dafür sorgen können, dass viel weniger kranke Menschen ins System kommen als bislang – einfach weil sie gar nicht erst krank werden.
Wie kann das gelingen?
Wir müssen außer über Maßnahmen gegen die Auswirkungen von Hitze oder die Ausbreitung von Zoonosen beispielsweise auch über Luftverschmutzung und Schadstoffe in Wohnungen sprechen. Wir müssen über eine Mobilität sprechen, die Unfälle und Umweltschäden vermeidet, aber auch über Arbeitsschutz. Das ist doch eigentlich der große medizinethische Kodex: Alles zu vermeiden, was den Menschen Schaden zufügt.
Das kürzlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugunsten der Schweizer Klimaseniorinnen besagt, dass der Staat alles tun muss, um Gesundheitsgefahren abzuwehren. Ist das ein möglicher Hebel, um solche Maßnahmen auch rechtlich einzufordern?
Ich habe mich sehr über das Urteil gefreut, weil das ein Präzedenzfall ist, der viel Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit lenkt. Ich hoffe, dass es das Menschenrecht auf eine gesunde Umgebung praktikabler macht, denn das Urteil zeigt, dass es einklagbar ist. Gleichzeitig müssen wir aber auch überlegen, wie wir Gesundheit, ökologische und soziale Nachhaltigkeit in bestehende Gesetze hineinbekommen. Wie kriegen wir das auf die Agenda der politischen Parteien und vor allem in alle neuen Gesetzgebungsverfahren? Wir bräuchten eigentlich für alle Gesetze einen verbindlichen Gesundheitscheck, der die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesundheit der Menschen mit berücksichtigt.
So wichtig das ist, wäre das nicht eine Art Beruhigungspille? Man überlegt, wie man Menschen bei Hitzewellen besser versorgt oder sie vor tropischen Krankheiten schützt. Geraten darüber nicht die Ursachen für die Probleme aus dem Blickfeld?
Die Gefahr besteht. Eine Frage, die ich während meines Studiums oft bei Vorträgen gehört habe, lautet: Was ist die Ursache der Ursache der Ursache? Also zum Beispiel dafür, dass die Luftverschmutzung ein gesundheitliches Problem darstellt? Antwort: zu niedrige Grenzwerte für die Schadstoffe. Aber woher kommt die schlechte Luft? Die Ursache dafür ist die Art, wie wir uns fortbewegen, wie wir heizen, wie wir bauen, wie wir Energie bereitstellen. Luisa Neubauer hat vergangenes Jahr bei einem Vortrag in Tübingen von der „Fossilität“ gesprochen, von der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Übermacht dieser Energieträger gegenüber allen Alternativen. Und von unserer Abhängigkeit von fossilen Energien.
Brauchen wir eine antifossile Suchtbekämpfung?
Der Gesundheitssektor hat viel Erfahrung mit Abhängigkeiten. Es gibt Suchtexperten in diesem Bereich, auf den einzelnen Menschen bezogen, aber auch auf die Gesellschaft. Die Frage stellt sich in der Tat: Sind wir nicht auch süchtig nach den fossilen Energieträgern? Wie kommen wir da eigentlich raus? Und gegen welche Widerstände muss man da kämpfen?
Das klingt jetzt sehr abstrakt.
Nehmen Sie das Beispiel Tabak. Wir können viel lernen, wenn wir uns anschauen, wie es gelungen ist, einen wirksamen Nichtraucherschutz zu etablieren. Ausschlaggebend war dabei erstens: Die Tabakindustrie selbst sitzt nicht mit am Verhandlungstisch, wenn es um Nichtraucherschutz geht. Zweitens, wir müssen die Kraft der Familien und Eltern nutzen, die gesagt haben: Ich will meine Kinder schützen. Also kein Rauchen mehr in öffentlichen Räumen. Bei all diesen Verhandlungen zum Tabakkonsum, auch auf WHO-Ebene, hatte die Industrie keinen direkten Einfluss. Wenn ich dagegen die Masse an Öl- und Gas-Lobbyisten sehe, die bei der Klimaschutzkonferenz in Dubai dabei war, wo es ja eigentlich um den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle gehen sollte, dann haben wir das, was wir beim Tabak gelernt haben, dort noch nicht angewendet.
Ihr Institut arbeitet an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Gesundheitssektor, Politik und Gesellschaft. Braucht es noch mehr fundierte Argumente, um den Zusammenhang zwischen Klima-, Umwelt- und Gesundheitskrise nachzuweisen? Gibt es noch große Forschungslücken etwa bei der Ausbreitung von Allergien oder Krebserkrankungen bei Jüngeren?
Natürlich haben wir noch Forschungslücken, aber mangelnde Erkenntnisse sind nicht mehr unser Hauptproblem, sondern das, was wir damit machen. Wie bringen wir das, was in den medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Journalen steht, in die Praxis? Es wäre doch schön, wenn der letzte Satz bei diesen Artikeln nicht immer lauten würde: „Weitere Forschung ist nötig“, sondern Angaben dazu enthielte, was jetzt eigentlich politisch konkret passieren muss. Also Butter bei die Fische.
Gibt es ein Beispiel für diese Lücke auf dem Weg vom Wissen zum Handeln?
In den Gesundheitswissenschaften ist wenig so gut untersucht wie der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung, Schadstoffbelastung und Gesundheit. Wir haben sogar eine WHO-Richtlinie dazu. Das ist der Goldstandard der Wissenschaft. Wir haben alles, was wir brauchen. Auf EU-Ebene wurde gerade eine Richtlinie zur Verbesserung der Luftqualität neu verhandelt. Alle wissen, dass wir da dringend mehr tun müssen. Aber Deutschland hat sich enthalten. Wie kann das sein? Welche Kräfte haben auf die Bundesregierung eingewirkt? Wir wissen, dass beispielsweise bei Anhörungen im Deutschen Bundestag nicht nur die Wissenschaft oder Umweltexpertise vertreten waren, sondern auch die fossile Industrie, vor allem die Automobilbranche. Jetzt müssen wir genau hinschauen: Wer ist das? Wie wird argumentiert? Da geht es ja nicht mehr um Wissen. Da geht es um Strategien, die das Wissen aus der Entscheidungsfindung zurückdrängen. Wie so etwas genau funktioniert, auch das ist eigentlich noch gar nicht wirklich erforscht.
Sie haben die Luftqualitätsrichtlinie auf EU-Ebene erwähnt. Es gibt ja gerade auf vielen Ebenen umweltpolitische Rückschritte. Wenn der Politik die planetare Gesundheit offenbar so egal ist, warum sollte das mit der individuellen Gesundheit als Argument eigentlich besser laufen?
Vor ein paar Wochen hat ein großer Kongress zu Armut und Gesundheit in Kooperation mit dem Umweltbundesamt stattgefunden. Das war neu. Da wurde über gesundheitliche Chancengerechtigkeit geredet, über Klima und Umwelt. Das sind Themen, die ganz unterschiedliche Gruppen miteinander verbinden. Klar ist aber auch, dass Argumente vor allem dann transformative Kraft entfalten, wenn ein Preisschild daran hängt. In Deutschland sind 2022 aufgrund von Hitze 22 Millionen Arbeitsstunden ausgefallen, etwa beim Bau oder in der Landwirtschaft. Diese Folgen des Klimawandels müssen viel sichtbarer werden.
Gibt es denn in der Forschung Ansätze, diese Zusammenhänge herzustellen und zu berechnen?
Eine kürzlich veröffentlichte Studie einer großen deutschen Krankenkasse hat Leistungseinbußen und Produktivitätsausfälle bei Hitze genauer untersucht: Wie viele Menschen melden sich in einer Hitzewelle krank? Gibt es mehr Unfälle? Wie hoch ist das Aggressionspotenzial? Wir wissen, es steigt an, wenn es heißer wird, was wiederum Ausgaben verursacht, wenn wir etwa an Polizeieinsätze denken. Ich glaube, es hilft uns, die Kosten klarzumachen: Was ist, wenn ein Mensch einen hitzebedingten Schlaganfall hat? Dann sind es nicht nur Ausgaben für die Behandlung, sondern man muss vielleicht die Wohnung umbauen. Dieser Mensch kann nicht mehr arbeiten, sich nicht mehr um die Familie kümmern. Das sind alles gesellschaftliche Kosten und das macht die Berechnung sehr komplex. Aber wir brauchen dieses Wissen, um zeigen zu können, wie wichtig die Transformation zu einer gesünderen Lebenswelt ist.
Komplexität ist immer schwierig, wenn es darum geht, Menschen für Veränderungen zu gewinnen.
Ich glaube, wenn man notwendige Veränderungen mit Gesundheit und Lebensqualität und der Frage danach verbindet, wie wir eigentlich leben wollen, findet man mehr Gehör. Nicht immer ist das Krisennarrativ hilfreich, weil die Angst auch lähmen kann. Aber gleichzeitig sind die Verkehrswende, die Ernährungswende und vor allem die Energiewende alles gleichzeitig Gesundheitsprojekte, die uns mehr Lebensqualität bringen. Das individuelle Verhalten ist wichtig, keine Frage. Aber der größere Hebel sind die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse und Denkweisen, die gesundheitsbewusste Entscheidungen so schwer machen. Unsere Supermärkte präsentieren die Schokoriegel bewusst auf Kinderaugenhöhe und in Kassennähe. Da liegen eben keine Äpfel, die man vielleicht schnell noch mitnimmt. Wir müssen Ernährungsumgebungen schaffen, die es für die Menschen einfacher und günstiger machen, sich für das Gesündere zu entscheiden.
Ernährung als Schlüssel für eine gesündere Zukunft?
Wenn sich der Agrarsektor und der Ernährungsbereich nicht sofort wesentlich schneller bewegen, dann wird es eng. Laut IPCC-Klimabericht gehen bis zu 37 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen auf unsere Ernährung zurück. Das Konzept von der „Planetary Health Diet“, das hauptsächlich auf Pflanzen statt auf tierischen Produkten basiert, bringt deutliche gesundheitliche Vorteile für den Menschen und den Schutz der Umwelt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat ihre Empfehlungen gerade entsprechend angepasst, aber der Weg ist noch weit. Ich rege mich wirklich auf, wenn mir meine Omi aus dem Krankenhaus ein Bild schickt, was die ihr da auftischen: eine Scheibe Graubrot, zwei Scheiben Gurke, eine Scheibe labbriger Käse – dabei sollte das Essen doch gerade dort gesünder machen. In den Krankenhäusern unseres Gesundheitssystems ist Ernährung ein Kostenfaktor, daran wird überall gespart. Dabei sollte das Essen dort eher wie Medikation betrachtet werden, also als etwas, das uns gesund macht.
Was stimmt Sie bei allen schwierigen Prognosen eigentlich optimistisch?
Ich sehe eine wachsende Öffnung zwischen dem Gesundheits- und dem Umweltbereich, das ist ein großer Hebel für notwendige Veränderungen beim Natur- und Klimaschutz. Wenn man sich nur mit den Daten beschäftigt, kann das deprimierend sein. Da ist es umso wichtiger zu fragen, was lief denn gut? Manchmal sind das die kleinsten Schritte, manchmal aber auch Riesenerfolge wie jetzt das Klimaurteil für die Schweizer Seniorinnen. Für uns war es ein Erfolg, vergangenen Herbst bei unserem Planetary Health Forum zu erleben, dass wir Teil von etwas Größerem sind und sich ganz neue Allianzen schmieden lassen. Das im Team auch zu würdigen und zu feiern, gibt viel Kraft.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 4.24 "Mut". Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!