Der Mann in Robbenfellkleidung, den Tetra Pak für seine neue Werbung auf eine Eisscholle gestellt oder eher gephotoshopt hat, wirkt dort etwas verloren. Aber er ist ein Hingucker – ein bisschen Pierre Brice, ein bisschen Ökohippie, und trotz Eischmelze irgendwie cool.
Über dem zweifelhaften Werbemotiv des schweizerischen Verpackungsherstellers steht die Frage: „Was, wenn alle Lebensmittel klimaneutral verpackt wären?“ Dazu sieht man in einer anderen Anzeige der Kampagne einen bis zum Plastikdeckel braun gefärbten Getränkekarton im grünen Wald mit dem Slogan: „Natürlich. Karton“. Was, wenn...? Schön wär’s, möchte man antworten, aber das steht dort nicht.
Die Tetra-Pak-Kampagne ist ein Paradebeispiel für jene Werbestrategie, die man „Greenwashing“ nennt: Ein ökologisch fragwürdiges Produkt wird suggestiv ins grüne Licht gerückt, in der Hoffnung, dass keiner die Widersprüche bemerkt und ein bisschen was Positives hängen bleibt. Denn Tetra Paks sind natürlich weder „natürlich“, noch bestehen sie aus reinem Karton – sondern zu großen Teilen aus Plastik und oft auch aus Aluminium. Laut Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beträgt die Recyclingquote gerade mal dreißig Prozent. Ein großer Teil der Getränkekartons, rund vierzig Prozent, landet demnach gar nicht erst im Gelben Sack, und auch die eingesammelten Tetra Paks sind vom Kreislauf weit entfernt: Das Plastik aus den schwer zu trennenden Verbundverpackungen wird in der Regel verbrannt, und auch für den Papieranteil verwendet Tetra Pak nur Frischfasern.
Auf der Internetseite und in Nachhaltigkeitsberichten, die mit großem Aufwand in vielen Sprachen veröffentlicht werden, ist denn auch viel von „Herausforderungen“ und „Schritten“ die Rede, vom „Weg“, auf den man sich gemacht habe, der „Journey Recycling“. Ziel sei es, irgendwann nur noch Kunststoffe aus nachwachsenden und recycelten Quellen zu verwenden und Alternativen für die Aluminiumschicht zu finden. Bis 2030 wolle man bei den eigenen Treibhausgasemissionen „netto-null“ erreichen, heißt es dort, und man habe die „Ambition, dies bis 2050 für die gesamte Wertschöpfungskette zu realisieren.“ Die Zulieferer – Kunststoff- und Holzproduzenten etwa – haben also noch ein bisschen Zeit.
Aber Moment mal – 2050? Bis dahin muss doch die gesamte EU klimaneutral wirtschaften, die USA, Japan und viele andere Länder! Für das Packeis, das längst rasant schmilzt, ist dieser Termin viel zu spät: Laut aktuellen Simulationen wird es schon vor der Jahrhundertmitte in manchen Sommern weitgehend verschwunden sein.
Was Werbeleute sich so alles ausdenken, was sie sich zusammenreimen und -klauben, um das Bild ihrer Kunden aufzuhübschen, ist zuweilen grotesk. In einem Imagefilmchen auf der Tetra-Pak-Seite taucht ein älteres Paar auf, das auf einer Müllkippe, offenbar in Asien, ein Transparent entrollt hat: „Save World“ ist darauf zu lesen und „Reduce, Reuse, Recycle“ – mit nichts davon kann Tetra Pak überzeugend aufwarten. Und dann steht da noch auf dem Protestbanner: „GLASS!“ Danke für den Tipp!
Weil ihr die Nachhaltigkeitskampagne von Tetra Pak „dreist“ erscheint, fordert die DUH einen „sofortigen Stopp“ – und rät Verbraucherinnen und Verbrauchern, „einen Bogen um die schlecht recyclebare Verbundverpackung zu machen“. Stattdessen, so die Empfehlung, solle man lieber auf umweltfreundliche Mehrwegflaschen aus der Region setzen.
In jedem Greenpeace Magazin zeigen wir auf der letzten Seite eine Fake-Werbeanzeige. Diese hier finden Sie in der Ausgabe 4.21 „Kreisläufe“, in der es auch darum geht, Verpackungsrecycling und Pfandkreisläufe voranzubringen. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!