Äpfel haben ein super Image: Sie tun dem Menschen gut und der Natur – jedenfalls haben sie das Potenzial dazu. Nun bombardiert eine Apfel-„Marke“ die Deutschen mit Reklame und treibt die Kommerzialierung und Standardisierung des einst so vielfältigen Obstes auf die Spitze. Wir haben eine Anzeige neu betextet.
Teure Printanzeigen in Magazinen wie „Stern“ und „Spiegel“ leisten sich heute gar nicht mehr so viele Unternehmen. Wenn, dann wird dort etwa für Autos geworben, für Investmentfonds – oder für Äpfel. Für Äpfel? Ja, wirklich. Woche für Woche beschwört derzeit die Sorte „Pink Lady“ in bunten Annoncen ihre Vorzüge, erklärt, man zeige Verantwortung für Anbaugebiete und Kunden, fördere den Austausch von Werten und Know-how und arbeite „mit der Natur zusammen“. Alles sieht ganz lieblich, friedlich und handgeerntet aus. Der Slogan: „So viel mehr als nur ein Apfel“.
Pink Lady ist eine sogenannte Clubsorte – und damit keine „Sorte“ im züchterischen Sinn (die heißt Cripps Pink), sondern eigentlich eine Marke. Bauern schließen mit einer Vermarktungsgesellschaft Verträge ab, die vorschreiben, wie groß, wie rund und wie rot die gelieferten Äpfel sein müssen. Wer dabei sein möchte, zahlt Lizenzgebühren und erhält im Gegenzug relativ hohe Abnahmepreise, die an die Kunden durchgereicht werden. Pink-Lady-Äpfel sind teuer, das Marketing- und Kontrollsystem samt aufwendiger Social-Media-Kampagnen samt Club-Mitgliedschaft hat seinen Preis.
Doch warum stößt die Reklame für die süße Frucht vielen so sauer auf? Das liegt wohl daran, dass hier ausgerechnet jene Warengruppe zum globalisierten und kommerzialisierten Konsumprodukt gemacht wird, die einmal für Vielfalt und Regionalität stand. Eigentlich haben Äpfel ja immer noch das Potenzial zum perfekten Öko-Lebensmittel: Gesund für Konsumenten und Umwelt, mit ausdrücklicher ärztlicher Empfehlung und einer CO2-Bilanz von Nullkommanull, wenn man sie selbst vom Baum pflückt. Sogar Frutarier können kräftig zubeißen! Und nun wird daraus ein globalisiertes Einheitsprodukt, optisch und geschmacklich standardisiert wie ein Bigmäc, im Sommer von der Südhalbkugel importiert, im Winterhalbjahr aus Südeuropa – nur aus der Region stammen Pink-Lady-Äpfel nie. Auch das Wort „Saison“ versucht Pink Lady vergessen zu machen. „Es gibt keine bestimmte Jahreszeit, da die gesamte Produktion zu jeder Zeit die gleichen Anforderungen des Lastenheftes erfüllt“, heißt es auf der Internetseite. „Unser Ziel ist, Ihnen jederzeit die gleiche Qualität hinsichtlich Färbung, Festigkeit des Fruchtfleisches, Zuckergehalt usw. anzubieten.“
Natürlich hat sich der Deutschen liebstes Obst nicht erst mit Pink Lady von seinen grünen Wurzeln entfernt. Auch bei anderen Supermarktsorten wurde der Anteil der gesunden Polyphenole, die saure und herbe Geschmacksnoten bringen, kleingezüchtet. In rund der Hälfte der „modernen“ Sorten stecken Anteile des Golden Delicious, doch die genetische Verengung erhöht die Anfälligkeit für Apfelkrankheiten und Schädlinge. So müssen auf den Plantagen Pestizide gespritzt werden, oft mehrere Wirkstoffe und mehrmals hintereinander. Auf Pink-Lady-Äpfeln von Aldi Süd fand Öko-Test im vergangenen September, wenn auch deutlich unter den Grenzwerten, Spuren von drei Pestiziden, darunter einem „besonders bedenklichen“.
Im ganzen Land dominiert heute ein Dutzend Sorten die Auslagen – während die einstige Vielfalt von 2000 bis 3000 Sorten nach und nach verloren geht. Fast alle Äpfel stammen inzwischen aus Plantagen, es geht um Effizienz und Masse, den knorrigen Apfelbaum auf der Streuobstwiese gibt es kaum noch. Pink Lady treibt dieses System auf die Spitze.
Die aktuelle Werbekampagne in Zeitschriften und Social Media hat ganz offensichtlich das Ziel, Imageprobleme wortreich zu zerstreuen. Beim flüchtigen Leser oder der flüchtigen Leserin – laut Werbefachleuten sprechen Name und Farbe vor allem die weibliche Kundschaft an – soll der Eindruck hängenbleiben, die pinken Äpfel seien doch ganz okay. Ein klassisches Beispiel von „Greenwashing“ ist die Pink-Lady-Reklame also mal wieder. Und damit ein prädestiniertes Opfer unserer Serie „Keine Anzeige“.
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