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Sprachmuster-Wandel: Wie bewaffnete Männer alte weiße Männer wurden Von Gregor Tholl, dpa
Wörter werden meist in festen Verbindungen genutzt, die viel über die gesellschaftlichen Verhältnisse sagen: etwa «schlechtes Gewissen», «umweltfreundliche Technologie». Ein neues Duden-Buch klärt auf.
Berlin (dpa) - In Wörterbüchern stehen sie erstmal alleine da, aber im Alltag werden Wörter oft in festen Verbindungen benutzt. Diese Wortverbindungen folgen Mustern und Moden und spiegeln mehr als vieles andere die gesellschaftlich-kulturellen Verhältnisse wider. Der Journalist Hans Hütt hat gemeinsam mit der Dudenredaktion das Buch «Wilde Jahre, kühne Träume - Sprache im Wandel der Zeit» erarbeitet. Es bietet einen Einblick in typisch deutsche Wortverbindungen - sogenannte Sprach-Fertigstücke - der vergangenen 70 Jahre. Es geht um Gebrauchsmuster wie «starker Raucher», «tödliche Langeweile» oder «spannende Lektüre».
«Bei Männern wird das äußere Erscheinungsbild in den letzten Jahren häufiger erwähnt, allerdings nur selten mit den Adjektiven «schön», «blond», «attraktiv», «hübsch», die typisch für die Frau sind», weiß Autor Hütt beispielsweise zu schreiben.
Ausgangspunkt für seine Analysen ist der sogenannte Dudenkorpus, eine seit 25 Jahren ständig erweiterte elektronische Volltextdatenbank, die sich aus authentischen Texten in Zeitungen, anderen Medien, Sach- und Fachbüchern sowie belletristischen Büchern speist und aus mehr als 5,6 Milliarden Wortformen der deutschen Sprache besteht.
In den Korpora (Textsammlungen) der Gegenwartssprache seien Frauen bis heute oft «jung» - «ein Bild, das den Blick auf nicht so junge und alte Frauen verstellt». Noch etwas falle außerdem auf: «Die Frau wird noch immer vorwiegend im Umfeld von Partnerschaft und Familie betrachtet, wobei vor allem die Abweichung von der Norm durch Adjektive wie «geschieden», «alleinstehend», «kinderlos» betont wird, während der Mann lediglich vereinzelt als «geschieden», also im Umfeld seiner Vaterschaft beschrieben wird.» Entsprechend sei die Frau seit 1950 auch oft als «berufstätig» charakterisiert worden, was wohl lange als Sonderfall und erwähnenswert galt.
Männer sind dagegen oft Täter und die Bestimmenden. Typische Attribute für Männer sind «bewaffnet», «maskiert», «jung», «reich», «mächtig», «stark», «unbekannt», «bärtig» oder «alkoholisiert» - Status, aber auch Alter und Hautfarbe sind wichtig bei Männern.
«Die Kombination «alt» plus «weiß» ist neuer und spielt mit diesen beiden Stereotypen.» Alte, weiße Männer sind wohl nicht wegzudenken, meint Hütt - «am wenigsten für sich selbst». Die von Mitte der 40er Jahre bis 1970 Geborenen haben nach wie vor eine Menge zu sagen in der Gesellschaft. «Sie halten das für selbstverständlich.» Doch der heute oftmals gemeinte «alte, weiße Mann» «wütet gegen die Praxis politischer Korrektheit, gegen die Vielfalt der Geschlechter, gegen Einwanderung, gegen Schulden, gegen alles, was ihm nicht passt oder was er nicht versteht oder verstehen will.»
Erhellend im Buch ist auch die Erläuterung zum Muster «selbstfahrende Autos». Automobil bedeutet ja ursprünglich schon «Selbstfahrer» (von griechisch «autós» für «selbst» und lateinisch «mobilis» für «beweglich»). «Heute ist «selbstfahrend» schon das dritthäufigste Attribut, das im Zusammenhang mit Autos erwähnt wird. Auf Platz eins und zwei stehen «parkend» und «geparkt».»
«Notwendig» war früher übrigens angeblich das «Übel». Und heute? «In der Häufigkeit dessen, was alles notwendig sein könnte, steht das Umdenken im Dudenkorpus unter ferner liefen, wichtiger sind «Reformen», «Reparaturen», «Mehrheiten», «Unterlagen», «Ergänzungen», «Einsparungen»...»
Bleiben noch Phänomene wie Zeit und Wetter: «Jahre» waren früher - also vor allem in den 1960er Jahren - noch «wild», dann später «fett» und sind heute oft «zu heiß».
Regen war 1953 bei der Krönung von Königin Elizabeth II. strömend. «Die deutsche Sprache kennt neben dem «strömenden» erstaunlich viele Arten des Regens: den «örtlichen», den «schauerartigen» und «heftigen», den «gefrierenden», «dichten», «warmen», «anhaltenden», «starken» Regen. In den Jahren des Waldsterbens hatte der «saure Regen» einen Spitzenplatz. Neuerdings ist er so gut wie verschwunden und wir lesen immer öfter vom «ausbleibenden Regen».»