Das Stadtleben als eins der schillerndsten Sujets innerhalb fotografischer Bildwelten – so wird das Thema Urbanität beim Fotofestival „Triennale der Photographie Hamburg“ präsentiert. Die Ausstellung „Space“ zeigt den fotografischen Blick auf Anonymität und Enge, Schmutz und Verkehr, Konsum und Exzess.
Unter dem Motto „Breaking Point. Searching for Change“ startete im Juni dieses Jahres die Triennale in Hamburg. Da es dabei vor allem um Fotografien und weniger um Worte geht, zeigen wir ausgewählte Werke aus verschiedenen Ausstellungen des Festivals.
Die thematischen Schwerpunkte der Triennale sind in Befehle einer Computertastatur geordnet – also in Enter, Home, Control, Space, Shift, Return, Delete und Escape. Laut Kurator Krzysztof Candrowicz täuschen diese klassischen Computerbefehle uns Simplizität vor, wo Komplexität herrscht. Denn genauso wenig wie die digitale, sei die analoge Welt durch klar definierte Steueroptionen beherrschbar. Im Gegenteil: Alle gesellschaftlichen Bereiche sind miteinander verwoben. So wirken sich bestimmte politische Entscheidungen direkt auf unsere Umwelt aus und hängen wiederum von Lobbyismus und teils undurchsichtigen Wirtschaftsinteressen ab. Diesem komplexen Beziehungsgeflecht will das Ausstellungskonzept der Triennale gerecht werden.
SPACE
Beim Ausstellungsschwerpunkt „Space“ präsentieren wir einen Ausschnitt der schillernden Bildwelten in Straßenschluchten, an Bushaltestellen oder auf Dächern von Wolkenkratzern. Hier treffen die klassischen Ikonen der Straßenfotografie auf die Arbeiten junger internationaler Künstler. „Angesichts des Triennale-Mottos ,Searching for Change‘ waren mir die zeitgenössischen Positionen wichtig“, sagt die Kuratorin Sabine Schnakenberg. Für die Auswahl wühlte sie sich durch zehntausende Fotoarbeiten und stellt nun Inszenierungen und Beobachtungen des öffentlichen Raums aus sieben Jahrzehnten vor. „Dadurch möchte ich die Entwicklungen und Brüche der Street Photographie illustrieren und zeigen, wohin es gehen kann“, so Schnakenberg.
Bildserien und Konzeptarbeiten seien bei den zeitgenössischen Werken stärker verbreitet. Und die technischen Möglichkeiten der neuen digitalen Fotografie führten auch zu überraschenden Perspektiven, durch die nachträgliche Bearbeitung der Bilder ließen sich neue Motive schaffen und Realitäten konstruieren. Schnakenberg nennt das augenzwinkernd „den hypersurrealen Space". Außerdem äußert sich jede Epoche im Straßenbild – durch die aktuelle Mode oder bestimmte Verhaltensweisen – und verändert die Inhalte der Straßenfotografie. So macht Schnakenberg in den zeitgenössischen Arbeiten unter anderem ausgelassenes Feiern als wichtiges Thema aus, aber auch exzessive Konsumkultur oder urbane Enge sind wiederkehrende Motive. Die Straße selbst sei immer mehr als Bühne entdeckt worden. Das heißt, die Leute sind exhibitionistischer, es findet mehr ausgelassenes Leben in der Öffentlichkeit statt und lässt sich durch die digitale Fotografie auch einfacher festhalten. Sabine Schnakenberg: „Street Photographie ist immer ein Spiegel ihrer Zeit.“
Juicy Couture 01 von Natan Dvir
„In meiner Serie ,Coming Soon‘ untersuche ich die visuelle Beziehung von Stadt und kommerzieller Umwelt, in der wir leben. In unserem immer mehr auf Werbung fokussierten urbanen Raum wollte ich das Verhältnis der euphorisierten, artifiziellen Konsumwelt und der eigentlichen Realität abbilden.“ (Natan Dvir)
Hamburg, 2006 von Siegfried Hansen
„Bei vielen Bildern von mir geht es darum, wie ich subjektiv den öffentlichen Raum um mich herum wahrnehme. Durch einen speziell trainierten Blick schaffe ich mir eigene Bildwelten, die ich aus dem fortlaufenden Treiben um mich herum herausgreife. Dieses Bild zeigt einen Marineoffizier auf einem Schiffsdeck vor den Markierungen des Hubschrauberlandeplatzes. Ich habe mich nur auf die Farbflächen konzentriert und wollte noch ein erkennbares menschliches Element mit ins Bild bringen, also den Fuß des Offiziers.“ (Siegfried Hansen)
Ohne Titel von Maciej Dakowicz
„Meine Intention war es, das Nachtleben in Cardiff festzuhalten. Die Unberechenbarkeit und Craziness der Wochenendnächte hat mich fasziniert. Ich war einfach in den Straßen und habe sehr demokratisch gearbeitet: Fotos von allem machen, was mich im Moment angesprochen hat.“ (Maciej Dakowicz)
Self-Portrait 2011 von Jun Ahn
„Ich denke, wir alle leben irgendwie am Abgrund. Wir leben zwischen Leben und Tod, normal und abnormal, privat und öffentlich. Niemand gehört gänzlich zu einem Ort, wir sind alle dazwischen.“ (Jun Ahn)
Die Space-Ausstellung ist noch dieses Wochenende (bis zum 21. Oktober) in den Deichtorhallen in Hamburg zu sehen. Weitere Ausstellungen der 7. „Triennale der Photographie Hamburg“, die noch bis in den Herbst 2018 oder sogar Januar 2019 laufen, sind die Delete-Ausstellung über Auswahl und Zensur im Bildjournalismus (noch bis 25. November 2018 zu sehen), die Personal-Icons-Ausstellung von Sven Jacobsen (bis 6. Dezember) und die Anton-Corbijn-Ausstellung (bis zum 6. Januar 2019).
Diese stellen wir teilweise auf greenpeace-magazin.de vor, zu finden in der Rubrik „Aktuelles“. Einen Überblick aller besprochener Ausstellungen gibt es im Dossier „Umweltzerstörung in der Kunst“. Als Auftakt unserer Artikelreihe zum Fotofestival erzählte der Kurator Krzysztof Candrowicz im Interview, warum er glaubt, dass bei der Umweltzerstörung der Breaking Point bereits erreicht ist – und wie Kunst beim Wandel helfen kann.