Neben Ökologie spielen auch soziale Themen eine zentrale Rolle auf der „Triennale der Photographie Hamburg“. Die Ausstellung „Home“ zeigt ungewöhnliche Zugänge zum Gefühl des „Zuhauseseins“ – vom Wohnen in Massensiedlungen bis zum Leben auf der Straße.
Unter dem Motto „Breaking Point. Searching for Change“ startete im Juni dieses Jahres die Triennale in Hamburg. Als Auftakt unserer Artikelreihe zum Fotofestival erzählte der Kurator Krzysztof Candrowicz im Interview, warum er glaubt, dass bei der Umweltzerstörung der Breaking Point bereits erreicht ist – und wie die Kunst beim Wandel helfen kann. Da es dabei vor allem um Fotografien und weniger um Worte geht, zeigen wir ausgewählte Werke aus verschiedenen Ausstellungen des Festivals. Zunächst haben wir mit den beiden Schwerpunkten „Enter“ und „Escape“ gezeigt, wie Kunst Umweltpolitik beeinflussen kann. Im Ausstellungschwerpunkt „Home“ geht es nun um unterschiedliche und ungewöhnliche Konzepte des Zuhauseseins. Wir stellen Werke aus zwei Arbeiten vor: „Alta Densidad“ von dem mexikanischen Fotografen Jorge Taboada und Fotografien aus dem Projekt „in Hamburg zuhause“.
HOME
„Bei Home geht es darum, die Normalität des Zuhauseseins und Wohnens zu hinterfragen und zu beleuchten“, sagt Nico Baumgarten, der zusammen mit Stefan Rahner die Ausstellung kuratiert und sein Ausstellungskonzept konsequent umsetzt. Nicht nur die Fotografien portraitieren alternative Wohnformen, auch die Ausstellungsorte selbst sind ungewöhnlich: So hängen die Werke nicht in Museen und Galerien, sondern zu großen Teilen im öffentlichen Raum. Eigens dafür angefertigte Pavillons in Fußgängerzonen und auf öffentlichen Plätzen sollen die Bilder für jeden zugänglich machen. „Wir zeigen unter anderem Bilder von Massensiedlungen, von Geflüchteten und Wohnungslosen. Wir suchen die Interaktion mit dem Publikum und wollen den Dialog zulassen. Dafür gehen wir mit unserer Kunst auf die Straße“, so Baumgarten. Einige der Bilder hängen nur noch halb an den Pavillonwänden und sind an manchen Stellen abgerissen. Aber Nico Baumgarten sorgt das nicht: „Wenn die Aussage unserer Ausstellung durch Vandalismus zu stark beeinträchtigt ist, plakatieren wir die Bilder eben wieder neu.“
ALTA DENSIDAD – Die Enge und Anonymität mexikanischer Vororte
Jorge Taboada hat die Vororte großer Industriestädte in Mexiko fotografiert und Bilder produziert, die klare geometrische Muster zeigen. Damit will der Künstler die Anonymität und Uniformität dieser Wohnform einfangen. „Meine Bilder haben auf der einen Seite eine ästhetische-kompositorische Perspektive im fotografischen Sinne. Sie sind monochromatische und gleichförmige Landschaften, die eine nicht endende Wiederholung in einer entgrenzten Stadt zeigen“, sagt Jorge Taboada über sein Werk. „Auf der anderen Seite geht es um den sozialen Aspekt: Hier müssen Menschen wohnen.“
Cienega de flores
Jorge Taboada: „Die im Bild dargestellte einheitliche Landschaft mit kleinen weißen Boxen, wird als günstiger Wohnraum angeboten. Hier liegt die Priorität auf den niedrigen Produktionskosten, nicht den menschlichen Bedürfnissen.“
Escobedo
„Dieses Bild macht die natürliche Neigung des Menschen zur Individualität deutlich – selbst inmitten der größten Uniformität. Jeder möchte sich von seinem Nachbarn unterscheiden, einzigartig sein. Aber das ist kaum möglich: Diese Häuser entsprechen nicht den Grundbedürfnissen der Menschen, sie schränken die individuellen Vorstellungen und Ausdrucksmöglichkeiten ein. Und viele Menschen leiden unter den Konsequenzen der Normierung“, so der Künstler.
Salinas victoria
„Als Betrachter sieht man auf diesem Bild den besorgniserregenden Mangel an grünen Flächen. Wir müssen unbedingt Anzahl wie auch Qualität von natürlichen Lebensräumen und Grünflächen in Wohngebieten und Städten steigern. Eine Maßnahme dafür ist effizienter öffentlicher Personennahverkehr als Alternative zum Privatauto“, sagt Taboada.
IN HAMBURG ZUHAUSE – die Perspektive von wohnungslosen Menschen
In dem Fotoprojekt „in Hamburg zuhause“ geht es um das Zuhausesein ohne Wohnung, ohne Dach über dem Kopf. Drei Wohnungslose aus Hamburg haben ihren Alltag mit der Kamera festgehalten. Katharina Schmidt, die an der Universität Hamburg zur kritischen Geographie globaler Ungleichheit forscht, hat das Projekt koordiniert.
Bezirksamt Mitte – von M.C.
Das Bild betont, wie Menschen ohne festen Wohnsitz von dem Konzept des Zuhauseseins ausgeschlossen werden. „Der Fotograf zeigt mit dem Foto, dass unterschiedlichen Leuten in einer Stadt unterschiedliche Teilhabe an der Stadt ermöglicht wird. Obdach- und wohnungslosen Menschen wird häufig nicht zugestanden sich in ihrer Stadt zuhause zu fühlen“, sagt Schmidt. Der Fotograf, der nur bei seinen Initialen M.C. genannt werden möchte, erläutert, warum er diesen Ort als Motiv gewählt hat: „Hier haben wir oft abgehangen, da dürfen wir aber nicht mehr sitzen. Die Security von der Behörde hat uns weggeschickt. Wir haben das Ansehen vom Amt – ich sag mal – ,beschmutzt‘.“
Treffpunkt St. Pauli – Gerd Reinhold
„Das ist mein bester Freund F. aus Norderstedt“ sagt Gerd Reinhold, der für das Projekt fotografiert hat. Katharina Schmidt ordnet das Werk in das Ausstellungskonzept ein: „Die Fotos sind unter dem Motto ,Mein Hamburg' entstanden. Gerd Reinholds Bilder zeigen, dass das Zuhausesein in einer Stadt nicht von einem bestimmten Wohnstatus abhängig ist, sondern auch von alltäglichen Erledigungen, Freundschaften, Lieblingsorten und Gewohnheiten.“
Die thematischen Schwerpunkte der Triennale sind in Befehle einer Computertastatur geordnet – also in Enter, Home, Control, Space, Shift, Return, Delete und Escape. Laut Kurator Krzysztof Candrowicz täuschen diese klassischen Computerbefehle uns Simplizität vor, wo Komplexität herrscht. Denn genauso wenig wie die digitale, sei die analoge Welt durch klar definierte Steueroptionen beherrschbar. Im Gegenteil: Alle gesellschaftlichen Bereiche sind miteinander verwoben. So wirken sich bestimmte politische Entscheidungen direkt auf unsere Umwelt aus und hängen wiederum von Lobbyismus und teils undurchsichtigen Wirtschaftsinteressen ab. Diesem komplexen Beziehungsgeflecht will das Ausstellungskonzept der Triennale gerecht werden.
Weitere Ausstellungen der 7. „Triennale der Photographie Hamburg“, die noch bis in den Spätsommer oder Herbst dieses Jahres laufen werden, stellen wir in den folgenden Wochen auf greenpeace-magazin.de vor, zu finden in der Rubrik „Aktuelles“