Am Donnerstagabend öffnet das Kunstfestival „Triennale der Photographie Hamburg“ seine Tore. Damit starten vier Monate an Fotografie-Ausstellungen, Künstlergesprächen und mehr – alles unter dem Motto „Breaking Point. Searching for Change.“ Der Kurator Krzysztof Candrowicz erzählt im Interview, warum er glaubt, dass bei der Umweltzerstörung der Breaking Point erreicht ist – und wie Kunst beim Wandel helfen kann.
Seit 1999 zeigen internationale Künstler und Fotografen alle drei Jahre ihre Werke an Orten überall in Hamburg. Neben zahlreichen Ausstellungen ergänzen Künstlergespräche, Vorträge und weitere Events traditionell das Programm der „Triennale der Photographie Hamburg". Im Interview erzählt der Kurator Krzysztof Candrowicz, wie er mit dem diesjährigen Ausstellungsmotto explizit auf Umweltzerstörung und ihre Folgen hinweisen will – und warum Kunst per se politisch ist.
Herr Candrowicz, wofür steht „Breaking Point“ im Motto der 7. Triennale der Photographie Hamburg?
Wenn es um die Umwelt geht, brauchen wir ein radikales Umdenken – wir sind also an einem Breaking Point. Die Menschen müssen ihr Verhalten ändern, die Politik ihre Strukturen und die Wirtschaft muss auf das Teilen ausgerichtet werden, statt immer weiter auf individuellen Konsum zu setzen. Außerdem müssen wir die Umweltkosten bei allem mitdenken. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es die Menschheit nicht mehr lange geben. Wir haben die Belastungsgrenze erreicht und deshalb müssen wir das Steuer herumreißen – sofort und in jeder gesellschaftlichen Dimension.
Ist eine Kunst-Ausstellung der richtige Ort für dieses politische Anliegen?
Ja, das politische Statement ist inzwischen zentraler Bestandteil der künstlerischen Arbeit. Es ist jetzt an der Zeit, verstärkt Inhalte zu diskutieren – auch als Künstler. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Probleme unserer Welt.
Also ist Kunst politisch?
Auf jeden Fall, denn im Prinzip ist jede Entscheidung, die wir treffen, politisch. Also die Art, wie wir leben, wo wir arbeiten, was wir essen. Unser Lifestyle ist ein politisches Statement – und in diesem Sinne auch unsere künstlerische Arbeit. Es ist also gar nicht möglich, dass Kunst nicht politisch ist.
Das komplette Motto der Phototriennale lautet: „Breaking Point. Searching for Change“. Nach einem gesellschaftlichen Wandel suchen – wie kann Fotografie so etwas leisten?
Indem sie Probleme verarbeitet, thematisiert und zu neuen Gedanken und Ideen anregt. Gerade Fotografie und Film haben einen starken emotionalen Effekt auf Menschen. Wenn wir Fakten über das Abschmelzen der Pole hören, sind das eben nur Fakten. Aber wenn wir anhand von Bildern oder Videos auch sehen können, was da passiert, hat es einen emotionalen Effekt: Dann fühlen wir mit beim Schwinden des ewigen Eises, dem Abholzen der Wälder, der Verdreckung der Meere, dem Aussterben von Tierarten. Natürlich glaube ich nicht, dass wir durch unsere Ausstellungsreihe einen direkten Einfluss auf die konkrete Politik nehmen können. Es werden weder Donald Trump noch Angela Merkel oder Wladimir Putin zu uns kommen, um sich die Ausstellungen anzusehen. Aber dennoch ist Kunst mächtig, wir erreichen die Eliten.
Es geht Ihnen um die Avantgarde?
Es geht auch um deren Einfluss. Im Prinzip geht es uns aber um alle und jeden. Unser räumliches Konzept hat einen besonderen Fokus auf die Menschen, die sonst nicht in Ausstellungen kommen. In der Kunstszene ist das Bewusstsein für Umweltthemen und bestimmte politische und gesellschaftliche Fragen sowieso schon da. Die besondere Herausforderung ist es, Menschen zu erreichen, für die das neu ist. Und das versuchen wir, indem wir die Hemmschwelle zur Hochkultur senken. Wir stellen überall in der Stadt aus – nicht nur in Museen, sondern an allen möglichen Orten im urbanen Raum. Wir haben beispielsweise Container, die auf einer Wiese stehen und so jedem zugänglich sind, da kann man einfach hereinspazieren. Außerdem haben wir extra auch ganz ungewöhnliche Orte gewählt, wie zum Beispiel ein Boot, in dem das Aussterben von Schildkröten im Mittelmeer gezeigt wird. Also, die Menschen müssen nicht in einen klassischen Kulturtempel gehen, um unsere Fotografien zu sehen.
Wie behält man da die Übersicht?
Wir haben die Schwerpunkte der Triennale in Tastaturbefehle geordnet, wie Enter, Home, Control, Delete oder Space. Diese klassischen Computerbefehle täuschen uns Simplizität aber nur vor, wo doch eigentlich Komplexität herrscht. Denn genauso wenig wie die digitale, ist die analoge Welt durch simple, effiziente Steueroptionen beherrschbar. Im Gegenteil: Die Politik hat gravierende Folgen für die Umwelt und diesbezügliche Entscheidungen hängen wieder von den Finanzen und der Wirtschaft ab. Das heißt, ohne politischen Willen und ökonomischen Support wird es keinen ökologischen Wandel geben. Und diese Komplexität – der verschiedenen Dimensionen und ihr Beziehungsgeflecht zueinander – wollen wir mit unserem Ausstellungskonzept gerecht werden. Einen ersten Eindruck geben wir mit der Einführungsausstellung „Enter“, die vom 7. bis zum 17. Juni als Teil des Festivalzentrums den Deichtorhallen-Vorplatz bespielt und von Klimawandel über Flüchtlingskrise bis zu Cyberattacken globale Veränderungen thematisiert.
Sind Umwelt und Umweltschutz überall gleich präsent?
Die Umwelt spielt überall eine Rolle. Aber es gibt auch einen Schwerpunkt zu Umweltthemen im engsten Sinn: „Escape“ ist eine Ausstellung, die sich explizit mit ökologischen Veränderungen und Notlagen beschäftigt. Diese Arbeiten finden sich vom 8. bis 17. Juni im Museum für Völkerkunde. Bei „Home“ hingegen präsentieren wir die Arbeiten hauptsächlich im öffentlichen Raum, und zwar vom 8. Juni bis zum 26. August. Da zeigen wir die Facetten des Zuhauseseins, aber auch Verdrängung, Verdichtung, Verteidigung und Zerstörung. Hier werden auch persönliche Geschichten erzählt, wie die von drei Wohnungslosen, die fotografisch ihren Alltag dokumentierten. Der Kurator dieser Ausstellungsreihe, Nico Baumgarten, lebt selbst mitten in Berlin, aber in einem Baum, in den er sich ein Häuschen gezimmert hat. So setzt er sich nicht nur in seiner Ausstellung kritisch mit dem Ort und Gefühl des „Zuhauseseins“ und dem Zusammenspiel von Urbanität und Umwelt auseinander, sondern auch durch seinen Lebensstil. Und das zeigt wieder die Ausgangsthese der Triennale: Alles ist politisch – und insbesondere die Art, wie wir leben.
In den folgenden Wochen werden wir einige ausgewählte Ausstellungen der Triennale der Photographie Hamburg in unseren Nachrichten auf greenpeace-magazin.de vorstellen.