Auch der Amazonasregenwald, Indigene, das Klima und Aktivisten haben mit ihm ein neues Problem – und einen kompromisslosen Gegner.

Nun steht es also fest: Jair Messias Bolsonaro wird Brasiliens neuer Präsident. Der rechtsextreme Kandidat der Sozialliberalen Partei (PSL) bestimmte in den Wochen vor dem zweiten Wahlgang die Schlagzeilen. Nachdem er im ersten Wahlgang am 7. Oktober die vorzeitige Entscheidung verpasst hatte, konnte er nun die Stichwahl für sich entschieden. Mit 55,1 Prozent gewinnt er gegen seinen Kontrahenten Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei (PT), der 44,9 Prozent der Stimmen bekam.

Seit beinahe 28 Jahren sitzt der Ex-Militär Bolsonaro als Hinterbänkler im brasilianischen Kongress und kandidierte seither für neun verschiedene Parteien. Er trat vor allem mit rassistischen, frauenverachtenden, homophoben und demokratiefeindlichen Aussagen in Erscheinung und sorgte damit auch international für Empörung. Am 6. September überlebte er im Wahlkampf eine Messerattacke. Fortan war ihm die beinahe ungeteilte Aufmerksamkeit der Medien sicher.

Die PT war zeitgleich damit beschäftigt, die Scherben eines großen Korruptionsskandals aufzukehren, in den auch der populäre Ex-Präsident Lula da Silva verwickelt war. Eigentlich als Spitzenkandidat der Partei eingeplant, wurde er infolge seiner Inhaftierung am 31. August von der Wahl ausgeschlossen. Sein Ersatzmann Fernando Haddad hatte kaum Zeit, sich ein Profil zu erarbeiten. 

„Bolsonaro ist das Schlimmste, was der Umwelt passieren konnte“

Die Vorhaben des neuen Präsidenten lesen sich aus Sicht von Umwelt- und Klimaschützern wie eine Liste des Grauens. Bolsonaro will eine Autobahn durch den Regenwald bauen, die Rodung vorantreiben, Territorien indigener Stämme für den Bergbau öffnen, internationale Organisationen wie Greenpeace und den WWF aus Brasilien verbannen und das Land von Aktivisten „säubern“. Naturschutzgebiete sieht er als Hindernisse wirtschaftlichen Wachstums und plant daher, die Umweltgesetzgebung aufzuweichen. „Bolsonaro ist das Schlimmste, was der Umwelt passieren konnte“, konstatiert Paulo Artaxo, Klimaforscher aus Sao Paolo, gegenüber dem Magazin Science.

Camilla Aguiar sieht das ähnlich. Die Umweltökonomin aus Rio de Janeiro erforscht die Abholzung des Amazonasregenwaldes. Sie sieht Brasilien seit Beginn des 21. Jahrhunderts eigentlich auf einem guten Weg, wirtschaftliche Entwicklung und ökologische Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. „Der Wahlsieg Bolsonaros“, sagt sie, „bedeutet einen Rückschritt in der Umweltpolitik.“ Auch Leonardo Lanna sorgt sich um den Rest des Regenwaldes. Der Biologe und Naturfotograf arbeitet mit Kollegen an einer Initiative, die das Bewusstsein der Bürger für den Schutz des Waldes stärken soll. „Mit Bolsonaros Präsidentschaft wird es wohl deutlich geringere oder gar keine Fördermittel mehr für Schutzgebiete geben“, befürchtet er. Dabei seien fehlende Gelder schon jetzt ein großes Problem. 

Umweltschützer erwarten gefährlichere Zeiten

Dass das Erstarken der Rechtsextremen nicht nur für den Umweltschutz, sondern auch für Umweltschützer gefährlich werden kann, stellte Aguiar bereits im Vorfeld der Wahl fest. In Regionen, in denen die Landwirtschaft den Kahlschlag des Regenwaldes vorantreibt, wurden Autos und Häuser der Umweltbehörde IBAMA und des Instituts für den Biodiversitätserhalt ICMbio angezündet, erzählt sie.

Leonardo Lanna kann bereits jetzt von groben Verstößen gegen Umweltgesetze berichten: „In den 38 Tagen, in denen wir im Regenwald unterwegs waren, haben wir illegale Rodungen und Jagden gesehen. Wir haben gesehen, wie Vieh illegal in Schutzgebieten weidete, wie Bauland illegal erschlossen wurde. Wir wurden Zeugen von Gewalt und politischer Einschüchterung“, erzählt er. „Wenn sich ein Präsident als wichtigste Stimme des Landes gegen Naturschutzgebiete stellt, legitimiert er damit alle anderen, die dies ebenfalls tun. Die einzige Hoffnung ist, dass er nicht alles so gemeint hat, wie er es sagt. Falls doch, wird das Wissenschaft und Umweltschutz direkt betreffen.“

Bolsonaro, der eine Allianz mit der Fleisch- und Agrarwirtschaft eingegangen ist, unterstützt deren umweltfeindliche Haltung. Bis kurz vor der Wahl warb er mit dem Versprechen, das Umweltministerium abzuschaffen und in ein Agrarministerium umzuwandeln. Zwar rückte er jüngst davon ab. Die Ernsthaftigkeit dieser Kehrtwende erscheint angesichts seiner sonstigen Agenda allerdings wie ein plumpes Wahlkampfmanöver.

Gewalt gegen Menschen, die sich für den Schutz der Umwelt oder der indigenen Bevölkerung einsetzen, ist in Brasilien allerdings nicht erst seit Bolsonaro ein Problem. Laut einem Report der Nichtregierungsorganisation Global Witness verzeichnete das Land mit 57 ermordeten Umweltschützern 2017 zum wiederholten Mal die höchste Zahl weltweit.

Die Umweltwissenschaftlerin Natalia Chaves sieht „dramatische Veränderungen“ auf Öko-Aktivisten zukommen. Auf die Unterstützung einer Bevölkerungsmehrheit könnten sie allerdings nicht hoffen. „Die Mehrheit der Menschen glaubt, dass wir wichtigere Probleme haben als den Schutz des Regenwaldes, der Arten und den Kampf gegen den Klimawandel. Viele haben noch nicht verstanden, dass politische, soziale und ökonomische Themen direkt mit unserer Umwelt zusammenhängen“, sagt sie. 

Die Rodung des Regenwaldes betrifft neben indigenen Stämmen und zahlreichen Tier- und Pflanzenarten auch den Rest der Welt. Denn der Regenwald Brasiliens ist ein Faustpfand im Klimaschutz. Mit jedem Hektar, der verschwindet, reduziert sich auch die Menge CO2, die durch seine Bäume gebunden wird. Die Flächen werden häufig zur Futterproduktion für die internationale Fleischindustrie genutzt, was deren Klimabilanz ins Verheerende steigert.

Da passt es zur Agenda, dass Bolsonaro noch bis vergangene Woche dem Beispiel von US-Präsident Trump folgen und die Mitgliedschaft Brasiliens im Pariser Klimaabkommen beenden wollte. Am Donnerstag teilte er allerdings mit, er werde doch nicht aus dem Vertrag aussteigen, sofern dieser – wie die Taz berichtet – „keine Auflagen für die Ausbeutung des Amazonasgebiets mit sich bringe“. Experten ziehen in Zweifel, dass Bolsonaro einen Austritt wirklich wagen würde. So auch Politikwissenschaftler Mauricio Santoro von der University of Rio de Janeiro: „Die Reaktionen würden heftig ausfallen“, erklärt er. Und Natalia Chaves erwartet für diesen Fall „negative Effekte auf die internationalen Beziehungen zwischen europäischen und brasilianischen Organisationen“.

Haddad mit sozialer und umweltfreundlicher Agenda ohne Chance

Bolsonaros unterlegener Kontrahent Fernando Haddad hatte unter anderem auch mit einigen grünen Ideen um Stimmen geworben. Sein Wahlprogramm umfasste etwa einen verantwortungsvolleren Konsum und Investitionen in die ökologische Landwirtschaft. Sein „Plan zur ökologischen Transformation“ hatte einen Wandel Brasiliens hin zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Wirtschaft zum Ziel. Dazu wollte er Steuern auf CO2-Emissionen erheben und in Windkraft, Solarkraft und Biogas investieren. Er positionierte sich außerdem gegen die Privatisierung staatlicher Unternehmen und für mehr soziale Absicherung sowie die finanzielle Unterstützung erwerbsloser Bürger.

Doch die Zeit arbeitete für Jair Bolsonaro. Die linke PT hatte in der jüngeren Vergangenheit zu viele Bürger enttäuscht und Probleme ignoriert – allen voran die Gewalt auf den Straßen. Ein Nährboden für Bolsonaros populistische Forderungen nach leichterem Zugang zu Waffen und einem härteren Vorgehen gegen Kriminalität. Auch unzählige hetzerische Äußerungen konnten seinen Erfolg nicht bremsen. Im Gegenteil. Er brauchte für seinen Aufstieg vor allem eines: Geduld. Dazu passt die Diagnose von Politikwissenschaftler Mauricio Santoro: „Bolsonaro hat sich nicht verändert. Aber Brasilien.“