Zwischen Humus-Läden und kosmopolitischen Coffeeshops liegt an einer Straßenecke das Hotel, in das Vanessa Nakate zu Interviews geladen hat. Hier soll ich die 24-jährige Fridays-for-Future-Aktivistin treffen, die aus der ugandischen Hauptstadt Kampala nach Europa gekommen ist, um ihr Buch „Unser Haus steht längst in Flammen“ vorzustellen und über die Klimakrise zu reden. Nach der Station in Berlin-Friedrichshain wird es weiter nach Paris gehen.
Der Konferenztisch, an dem das Interview stattfindet, füllt beinah den gesamten Raum, an jedem Platz liegen Notizblätter und Stifte. Als Vanessa Nakate das Zimmer betritt, sticht direkt die grüne Schrift auf ihrem grauen Kapuzenpulli ins Auge: „Kohle kann man nicht essen“ steht da.
Frau Nakate, Sie haben Ihr erstes Buch geschrieben. Wie kam es dazu?
Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich ein Buch über mein Leben schreibe, ich bin ja erst Anfang zwanzig. Aber Johanna (Anm. d. Red.: Johanna Langmaack, die Programmleiterin von Rowohlt) hat mir letztes Jahr, nachdem ich beim Weltwirtschaftsforum in Davos als einzige schwarze Klimaschutzaktivistin aus einem Pressebild geschnitten wurde, eine E-Mail geschrieben und vorgeschlagen, dass ich meine Geschichte erzähle. Erst dachte ich, das kann ich doch gar nicht, was soll ich da erzählen. Aber nach ein paar Wochen habe ich dann doch zugesagt. Tatsächlich lief es dann richtig gut. Aber ich weiß nun auch, wie wichtig es ist, sich im Leben immer Notizen zu machen – nur für den Fall, dass man mal ein Buch schreiben will.
Sie haben 2019 angefangen, nach dem Vorbild von Greta Thunberg in der ugandischen Hauptstadt Kampala an öffentlichen Plätzen oder vor dem Parlament zu protestieren und fürs Klima zu streiken. Welche Reaktionen gab es?
Wenn ich demonstriert habe – mal gemeinsam mit meinen Geschwistern oder Freunden, mal alleine –, habe ich Fotos davon gepostet. Darunter haben viele Leute gefragt, was ich da eigentlich mache und mir teilweise schlimme Dinge unterstellt. Zum Beispiel dass ich nur einen Mann suche, weil ich mich so exponiere. Oder sie haben gefragt, ob ich Gras geraucht habe.
Wie erklären Sie sich diese Reaktionen?
Die Leute haben gedacht, wenn sich eine junge Frau an die Straße stellt, kann etwas mit ihr nicht stimmen. Ich lebe in einer sehr traditionellen Gesellschaft, wo es klare Regeln gibt, was sich für eine junge Frau gehört. Öffentlich demonstrieren gehört nicht dazu. Mir wurde sogar vorgeworfen, ich würde mich prostituieren.
Wie haben Sie auf solche Anfeindungen reagiert?
Ich habe sie ignoriert. Und irgendwann auch gelernt, keine Kommentare mehr zu lesen. Aber Schaden richten sie trotzdem an. Vielen junge Frauen, die sich engagieren wollen, wird vermittelt: Seht her, das passiert, wenn ihr euch öffentlich äußert. Wenn ihr den Mund aufmacht und Missstände anprangert, werdet ihr zur Zielscheibe von Spott und Hass.
Haben Sie darüber nachgedacht aufzuhören?
Nein. Die Klimakrise hört ja auch nicht einfach auf. Solange es die gibt, werde ich dagegen kämpfen.
Als Sie 2020 beim Weltwirtschaftsforum in Davos aus dem Pressefoto der Associated Press (AP) herausgeschnitten wurden, die weißen Aktivistinnen Greta Thunberg, Luisa Neubauer, Isabelle Axelsson und Loukina Tille blieben im Bild, haben Sie mit einer sehr emotionalen Videobotschaft auf den Rassismus in der Berichterstattung reagiert. Hat Sie das viel Überwindung gekostet?
Als ich das geänderte Foto im Netz gesehen habe, war ich geschockt und habe direkt über Twitter bei AP nachgefragt, warum sie mich aus dem Bild geschnitten hatten. Das war eine unmittelbare Reaktion, da habe ich gar nicht drüber nachgedacht. Aber das Video wollte ich mit mehr Abstand machen. Ich hatte Angst, emotional zu werden, denn es war eine sehr schmerzvolle Erfahrung. Als ich mich schließlich gefangen hatte, so dachte ich, und das Video live aufgenommen habe, hatte ich es nicht mehr unter Kontrolle. Ich weinte, wurde sehr emotional und die ganze Welt konnte dabei zusehen. Ich habe mir das Video seitdem nie wieder angesehen. Ich habe Angst davor, mich in diesem Zustand nochmal zu erleben.