Der größte Klimakiller der Welt, das saudische Staatsunternehmen Aramco, versucht mit einer schlecht getimten Werbekampagne sein Image aufzupolieren. Das Ergebnis gleicht einer Realsatire – und ist eine direkte Aufforderung zur Neubetextung der Anzeige.
„WAHRE ENERGIE LÄSST VISIONEN WAHR WERDEN“, steht in Großbuchstaben über der Werbung, die eine Firma namens Aramco kürzlich in großen deutschen Zeitschriften schaltete. Aramco? Der Name ist nicht jedem geläufig, dabei handelt es sich um den größten Ölkonzern und das – jedenfalls vor der Coronkrise – profitabelste Unternehmen der Welt. Für die Finanzwelt war es ein Riesenspektakel, als es Ende 2019 an die Börse ging und einen Rekorderlös von fast dreißig Milliarden Dollar einfuhr. Dennoch hat das billionenschwere Unternehmen, das noch immer zu 98 Prozent dem autoritären saudi-arabischen Staat gehört, ein schlechtes Image. Die Werbeoffensive soll das ändern – mit zweifelhaftem Ergebnis.
Die Anzeigen jedenfalls wirken wie aus einer anderen Zeit. Eine Hintergrundfarbe wie aus den Achtzigerjahren, dazu, warum auch immer, ein Foto von Wolkenkratzern bei Nacht – und ein verschwurbelter Text, der nur einem einzigen Zweck dient: die maximale Beschönigung des größtmöglichen Problems. Aramco will trotz Klimawandel noch so viel Öl wie möglich aus dem Wüstenboden pumpen und versucht nun irgendwie, mit dieser Tatsache gleichzeitig zu prahlen und sie zu verschleiern. Dass kann nicht funktionieren.
So beginnt der Anzeigentext mit einem klassischen Euphemismus: „Auch in Zukunft werden wir nicht auf Kohlenwasserstoffe verzichten können.“ Gemeint sind natürlich Erdöl und Erdgas, fossile Brennstoffe, deren Verbrennung bekanntlich CO2 freisetzt. „Wir sind ein weltweit führendes Energieunternehmen“, heißt es weiter, „mit den größten Kohlenwasserstoffreserven, deren Flüssigreserven nachweislich mindestens weitere 50 Jahre abdecken.“ Spätestens hier wird der aufmerksame Leser hellhörig. Fünfzig Jahre? Wenn noch weitere fünfzig Jahre in großem Stil saudisches Öl verbrannt wird, ist das Klimaziel von Paris zum Scheitern verurteilt. Denn um die Erderwärmung auf höchstens zwei, möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, muss die Weltwirtschaft schon bis Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral sein – bis dahin sind es gerade mal noch dreißig Jahre. Übrigens hat auch Saudi-Arabien das Pariser Abkommen unterschrieben, bemüht sich allerdings seitdem nach Kräften, die Umsetzung zu untergraben.
Die Anzeige endet mit einem Werbetexter-Gefasel, das man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: „Diese Position nimmt uns in die Pflicht, bei jedem einzelnen Molekül größten Wert auf Effizienz und Nachhaltigkeit zu legen.“ Wie hat man sich das vorzustellen? Saudische Prinzen, die „bei jedem einzelnen Molekül“ ihrer Erdölprodukte, das in irgendeinem Automotor oder Flugzeugtriebwerk dieser Welt verpufft, „größten Wert auf Effizienz und Nachhaltigkeit legen“? So ein Quatsch! Das Verbrennen von Erdöl ist schließlich das genaue Gegenteil von Nachhaltigkeit. Die Millionen Jahre alte Flüssigkeit ist dann futsch – kein Kreislauf, Klima kaputt, Schluss.
„DAS IST WAHRE ENERGIE. DAS IST ARAMCO“, steht dann da noch, und als Leser blättert man entweder verständnislos weiter oder ist über so viel unverschämten Werbewahnsinn fassungslos. In einer Analyse des „Climate Accountability Institute“ vom Oktober 2019 kam der Klimaexperte Richard Heede zu dem Ergebnis, dass nur zwanzig Firmen für rund ein Drittel sämtlicher bisheriger CO2-Emissionen der Welt verantwortlich sind. An der Spitze der größten Klimakiller liegt demnach mit großem Abstand, ja, tatsächlich: Aramco. Allein aufs Konto des saudischen Konzerns gehen seit 1965 beinahe sechzig Milliarden Tonnen – und damit 4,38 Prozent aller Emissionen, die bis heute in die Atmosphäre geblasen wurden.
Man kann daraus ableiten, dass der Konzern, der „bei jedem einzelnen Molekül größten Wert auf Effizienz und Nachhaltigkeit“ legt, auch für beinahe fünf Prozent des Klimawandels verantwortlich ist. Das Öl, das im saudischen Wüstenboden schlummert und für das der weltgrößte Konzern hier mit blumigen Worten wirbt, ist die weltgrößte Gefahr für den Planeten Erde – aber in Veilchen-Lila.
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