Werbung auf Youtube, Instagram und Snapchat, Auftritte auf Spielemessen und in Schulen – die Bundeswehr versucht, ihr Image bei Schülern und Jugendlichen zu pimpen und wirbt immer mehr Minderjährige als Nachwuchs an. „Mach, dass du wegkommst!“, warnt deshalb das Greenpeace Magazin in seiner Werbesatire „Keine Anzeige“ in Anlehnung an den markigen Originalslogan.
Seit der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011 hat die Bundeswehr Nachwuchssorgen. Sie muss mit der Wirtschaft um fähiges Personal konkurrieren, Skandale um schikanierte Rekruten kratzen am Image und jeder fünfte Offiziersanwärter quittiert in den ersten sechs Monaten den Dienst. Deshalb wirbt sie mit groß angelegten Kampagnen für den Dienst an der Waffe (Slogan: „Mach, was wirklich zählt“) und nimmt dabei verstärkt auch Schüler und Jugendliche ins Visier. Offenbar mit Erfolg: Während die Truppenstärke insgesamt stagniert, hat sich die Zahl der Rekruten, die bei Dienstantritt noch nicht volljährig waren, seit dem Ende der Wehrpflicht verdreifacht – auf 1680 junge Männer und 448 junge Frauen im Jahr 2017.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sieht sich deshalb zunehmend mit Forderungen konfrontiert, die Rekrutierung von 17-Jährigen zu beenden. „Die Minderjährigen erhalten dasselbe militärische Training an der Waffe wie erwachsene Soldaten und werden häufig direkt nach dem 18. Geburtstag in Auslandseinsätze geschickt“, kritisiert Ralf Willinger vom Kinderhilfswerk Terre des Hommes. „Dass diese Einsätze lebensgefährlich und traumatisierend sein können, wird zum Beispiel in Bundeswehr-Werbebroschüren oder bei Schulbesuchen nicht erwähnt.“ Deutschland schwäche mit der Praxis den internationalen „Straight 18“-Standard, der weltweit in mehr als 150 Ländern eingehalten werde, und nehme in Kauf, dass es bei der Bundeswehr zu schweren Kinderrechtsverletzungen bis hin zu sexuellem Missbrauch und entwürdigenden Aufnahmeritualen komme. Willinger kritisiert eine „Loose-Loose-Situation“: „Viele junge Rekrutinnen und Rekruten brechen die Ausbildung vorzeitig ab, doch auch die Bundeswehr ihrerseits hat im vergangenen Jahr 840 Soldaten gekündigt, die minderjährig ihren Dienst angetreten haben.“ Nicht nur NGOs verlangen ein Umdenken. Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes sowie die Kinderkommission des Bundestages fordern die Bundesregierung dazu auf, keine unter 18-Jährigen mehr in die Truppe aufzunehmen.
Gleichwohl nutzt die Bundeswehr alle möglichen Kanäle, um Jugendliche anzusprechen. Im Internet kann sich der potenzielle Nachwuchs millionenteure, inhaltlich dünne Social-TV-Serien wie „Mali“ und „KSK“ ansehen, bei der Soldaten auf Auslandseinsätzen begleitet werden und deren dramatische Aufmachung an die Heldenverehrung in US-Kriegsfilmen erinnert. Sogar für die Jugendlichen-App Snapchat ließen die PR-Profis der Truppe eine eigene „Linse“ entwickeln, mit deren Hilfe man sich zum Spaß einen virtuellen Tarnhelm mit Nachtsichtgerät aufsetzen konnte – zwei Millionen Nutzer, zu 81 Prozent zwischen 13 und 24 Jahre alt, machten mit. Einen Shitstorm löste im August ein Auftritt der Bundeswehr auf der „Gamescom“ aus, weil sie mit Plakaten in Computerspieloptik und Sprüchen wie „Mehr Open World geht nicht“ rund um die Kölner Spielemesse für ihren Stand in Halle 5 geworben hatte: „Echte Kameradschaft statt Single-Player-Modus? Mach, was wirklich zählt“, stand darauf. Zahllose Nutzer kritisierten daraufhin auf Plattformen wie Twitter, es sei geschmacklos, Krieg mit Videospielen gleichzusetzen – woraufhin die Bundeswehr verdruckst erwiderte, sie wolle „junge Erwachsene zum Nachdenken bringen“.
Mit ähnlichen Argumenten setzte sie im vergangenen Jahr 72 Jugendoffiziere und rund 400 „Karriereberater“ auf junge Leute an – Personalkosten: 31 Millionen Euro. Die Vorträge an Schulen, meist Gymnasien, hätten 119.704 Schüler erreicht, beinahe zehn Prozent mehr als im Vorjahr, erklärte das Verteidigungsministerium im Mai auf eine Kleine Anfrage der Linken. Insgesamt habe es mindestens eine halbe Million Kontakte mit Jugendlichen gegeben. Gegen die Bundeswehrbesuche an Schulen, die seit Jahren intensiviert werden und oft für heftigen Streit sorgen, spricht sich unter anderem die Lehrergewerkschaft GEW aus. Eine interessante Regelung gilt im Bundesland Sachsen-Anhalt: Wenn dort das Militär seine Informationsveranstaltungen ankündigt, sind Lehrer dazu angehalten, auch Vertreter von Friedensinitiativen zur Diskussion zu laden.
Vielen Erwachsenen dürften vor allem die Zeitschriftenannoncen und Plakate in Tarnfarbenoptik bekannt sein, mit denen die Bundeswehr seit Jahren flächendeckend für sich wirbt. Die Sprüche in Blockbuchstaben sind teilweise interessant („Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“), appellieren aber meist eher plump an die Gefühle junger, womöglich persönlich noch wenig gefestigter Leute, denen Gemeinschaftssinn, eine Stärkung des Selbstwertgefühls oder gute Karrierechancen bei der Truppe versprochen werden („Was sind schon 1000 Freunde im Netz gegen einen Kameraden?“, „Wahre Stärke findest du nicht zwischen zwei Hanteln“, „Jetzt Abi, Marsch!“).
Die Camouflage-Kampagne, die sich dazu geradezu aufdrängt, wurde bereits vielfach von Bundeswehrkritikern persifliert, zum Beispiel vom Aktionskunst-Kollektiv „Peng!“ („Wir nehmen auch Arschlöcher“).
Nun fügt – angesichts der verstärkten Anwerbung Minderjähriger – das Greenpeace Magazin in seiner Satireserie „Keine Anzeige“ eine Variante hinzu.
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