Zunächst die Fakten: Die Lufthansa blies im Vor-Coronajahr 2019 mit ihren Flugzeugen 33 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre, mehr als Dänemark. Weil ausgestoßene Klimagase in Flughöhe dreimal stärker wirken als am Boden, muss der Ausstoß mit dem Faktor drei multipliziert werden, um den Klimaschaden realistisch einzuordnen. Dass die globalen Treibhausgasemissionen im Jahr 2022 erneut stark stiegen, ist vor allem der Luftfahrt geschuldet, die sich nach Corona schneller erholt hat als erwartet. Ihr Anteil an den Emissionen von derzeit rund drei Prozent (mal drei für den Klimaschaden) wird in den kommenden Jahrzehnten laut Prognosen dramatisch wachsen, da Flugzeuge mangels technologischer Alternativen weiterhin mit Jettriebwerken und vornehmlich fossilen Flüssigtreibstoffen unterwegs sein werden. Wenn die Weltgemeinschaft daran scheitert, die Erderhitzung auf 1,5 oder 2 Grad zu begrenzen, wird die Luftfahrt daran einen beträchtlichen Anteil haben.
All das hält die größte deutsche Fluggesellschaft nicht davon ab, sich in Werbeanzeigen unter dem Slogan „Umwelten voraus“ als Klimaschutzvorreiter zu präsentieren. Sie folgt damit dem vielfach beschriebenen Greenwashing-Muster von Problemunternehmen, kleine Schritte als große Sprünge für den Umweltschutz zu verkaufen. De facto geht es darum, mit vagen Versprechen auf eine bessere Zukunft das Gewissen zögerlicher Kundinnen und Kunden zu entlasten und sie zu klimaschädlichem Verhalten zu bewegen.
Die Werbestrategie ist billig. Im Logo der Kampagne mit dem griffigen Hashtag #MakeChangeFly verschmilzt die Frontansicht eines Jets mit der zarten Erdkugel und dem Spruch „Connecting the world. Protecting its future.“ Die Lufthansa Group verfolge „eine klare Strategie für eine nachhaltige Zukunft“, steht auf der Website (obwohl sie doch in der Gegenwart nachhaltig wirtschaften müsste, um die Zukunft zu schützen). „Wir haben uns vorgenommen, unsere Netto-CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 zu halbieren. 2050 wollen wir CO2-neutral sein.“ Die Aussage erinnert an einen Alkoholiker, der im Januar damit prahlt, er habe sich „vorgenommen“, das Trinken bis Dezember schrittweise einzustellen.
Um die Ziele zu erreichen, setze die Lufthansa „kontinuierlich eine Vielzahl innovativer Maßnahmen“ um, heißt es weiter. Was also tut die Airline für den Klimaschutz? Kürzlich klebte sie Folie mit Haifischhautstruktur auf einige Testflugzeuge, um deren Kerosinverbrauch „um 1,1 Prozent“ zu senken. Sie investiert überdies „in die modernsten Flugzeuge unserer Zeit“ (was denn sonst?), wodurch der CO2-Ausstoß pro Passagierkilometer im vergangen Jahrzehnt etwas sank – ein Effekt, der durch steigende Fluggastzahlen deutlich überkompensiert wurde. Außerdem, und hier wird es schon interessanter, möchte das Unternehmen durch die Beimischung sogenannter nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF) CO2 einsparen und durch „hochwertige Klimaschutzprojekte“ Emissionen ausgleichen. Bisher konnten Fluggäste am Ende des Buchungsprozesse solche Optionen dazubuchen, was allerdings kaum jemand tut.
Seit Mitte Februar bietet Lufthansa nun „Green Fares“ an, „eigene Tarife für klimafreundliches Fliegen“. Fluggäste können einen Aufpreis dafür zahlen, dass zwanzig Prozent der Emissionen durch SAF eingespart und der Rest „kompensiert“ wird. Allerdings ist das Konzept umstritten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nominierte die „grünen Tarife“ der Lufthansa bereits für den Goldenen Geier 2022 als eine der „dreistesten Umweltlügen“.
Das Problem: SAF, worunter verschiedene nicht-fossile Kraftstoffe zusammengefasst werden, stehen nur in geringen Mengen zur Verfügung. Bisher kauft Lufthansa Kerosin aus gebrauchten Speiseölen und biogenen Reststoffen ein – allen Ernstes schwärmt Lufthansa neben einem Foto alter Bananenschalen im Kompost von einem „wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur CO2-Neutralität 2050“. Künftig sollen mithilfe erneuerbarer Energien hergestellte Treibstoffe hinzukommen, deren Entwicklung zweifellos wichtig ist, die aber ebenfalls auf absehbare Zeit Mangelware sein werden.
Achtzig Prozent der „Green Fare“-Emissionen sollen deshalb durch Beiträge zu Klimaschutzprojekten ausgeglichen werden – das vom Flugzeug ausgestoßene CO2 wird demnach an anderer Stelle auf dem Globus wieder eingespart. Allerdings steht das Konzept der CO2-Kompensation zunehmend in der Kritik, da es klimaschädliches Verhalten verharmlost und überdies große Mengen windige Zertifikate mit zweifelhaftem Klimanutzen auf dem Markt sind. Lufthansa arbeitet mit dem Anbieter Myclimate zusammen, der angibt, für die Kooperation hochwertige Ausgleichsmaßnahmen anzurechnen, die zugleich den UN-Nachhaltigkeitszielen zugutekommen. Doch in einem Bericht der Organisation Carbon Market Watch vom Oktober schnitt Lufthansa, was Transparenz und Wirksamkeit seiner Maßnahmen angeht, wie alle anderen untersuchten Airlines schlecht ab. Im November erhielt der Kompensationsanbieter „MyClimate“ bei Stiftung Warentest nur ein „ausreichend“ – unter anderem, weil bei Buchungsprozessen nicht ausreichend darauf hingewiesen werde, dass das Vermeiden von Emissionen sinnvoller sei als das Kompensieren. Seriöse Anbieter weisen klar darauf hin, dass der CO2-Ausgleich bestenfalls als Notlösung in Betracht kommt, wenn sich Flüge gar nicht vermeiden lassen.
Würde die Lufthansa es mit dem Klimaschutz ernst meinen, müsste sie erst einmal sämtliche Kurzstreckenflüge canceln. In ihren Anzeigen müsste sie, so hart das für eine Werbeabteilung sein mag, zum Verzicht auf unnötige Flugreisen auffordern und zum Bahnfahren. Mithilfe von Gebirgslandschaften – deren Schnee- und Gletscherdecke bekanntlich akut bedroht ist – das Klimaproblem zu verharmlosen und Menschen zu CO2-intensivem Reisen zu ermuntern, ist dagegen infam.
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