Der Elektrifizierung der Städte mit Kohlestrom liegt noch gar nicht lange zurück: Wolfgang Hassenstein weiß durch mündliche Überlieferung davon. Nun verändert sich die Erde rasant – und das fossile Zeitalter muss schnellstmöglich enden
Ich habe meine Urgroßmutter Mosmi noch in guter Erinnerung. Sie wohnte hundertjährig in einem über und über mit Efeu bewachsenen Haus und winkte manchmal aus einem kleinen Fenster im ersten Stock. Einmal erzählte sie uns von dem Tag, als ihr Vater eine ganz besondere Lampe mit nach Hause brachte: Man musste bloß auf einen Knopf drücken, schon leuchtete sie! Mosmi war sieben Jahre alt, als Thomas Edison eine markttaugliche Version der Glühbirne zum Patent anmeldete, und erlebte, wie ihre Heimatstadt Hamburg mittels Kohle elektrifiziert wurde. Ihr Geburtstag war der 30. September 1872. Da hatten Wilhelm I., Franz Joseph I. und Zar Alexander II. gerade beim Dreikaisertreffen in Berlin verabredet, die Monarchie gegen revolutionäre Umtriebe zu verteidigen.
Ganz schön lange her – und irgendwie auch wieder nicht. Mosmis und meine sich überlappenden Lebensspannen reichen vom Beginn der Kohleverstromung bis zum offiziellen Beschluss, sie zu beenden. Ich erzähle das, weil ich den Eindruck habe, dass es vielen Menschen schwerfällt, Zeiträume richtig einzuordnen. Beim Thema Klimawandel ist das fatal.
Würde Mosmi noch leben, müssten ihr die Zeiten dystopisch erscheinen. Im dürregeplagen London (!), wo sie als junge Frau wohnte, glich der Hyde Park im Sommer 2022 einer Savanne. Der Rhein bei Bad Breisig, wo sie im hohen Alter ihr Efeuhäuschen hatte, führte kaum Wasser, während im benachbarten Ahrtal die Menschen noch mit den Flutfolgen des Vorjahres kämpften. Doch überraschend kam all das nicht.