Radikaldebatte
Eskaliert euch!
Wie viel Radikalität braucht die Welt? Redakteurin Andrea Hösch startet unsere Serie mit einer Selbstbetrachtung
08.10.2020
In der Redaktion bin ich als radikal bekannt. Warum, ist mir allerdings nicht ganz klar. Vielleicht, weil ich so gut wie nicht mehr fliege, bei Wind und Wetter Fahrrad fahre, Klimakiller-Spuckis auf SUV-Scheiben klebe und nicht ohne Plakat zur Klimademo gehe. Aber: Ist das wirklich radikal? Ich finde, angesichts der Klimakrise ist ein solches Verhalten schlicht notwendig und konsequent. Zumal mir das alles nicht weh tut. Denn was riskiere ich? Gar nichts.
Wenn ich die Leute in Hongkong oder Moskau sehe, die für ihr Engagement für Demokratie und freie Wahlen Gefahr laufen, jahrelang weggesperrt zu werden, fällt mein angebliches Radikalsein in sich zusammen. Ich frage mich, ob ich das Risiko, für meinen zivilen Ungehorsam in den Knast zu gehen, tatsächlich in Kauf nehmen würde.
Noch hinkt die Realität meinen Gedanken hinterher, aber vielleicht kommt der Tag, an dem auch ich mir – wie viele „Ende-Gelände“-Aktivisten – einen weißen Anzug überstreife und in Kohlegruben steige, um Bagger zu blockieren. Der Tag, an dem ich mit vielen anderen ein Kreuzfahrtschiff am Ablegen hindere oder einen Flughafen lahmlege.
Denn je heftiger die Erderhitzung wird, um so kompromissloser dürften auch meine Reaktionen ausfallen. Die Eskalation ist unaufhaltsam, beim Klima und auch bei mir.
Klimakrise, Artensterben, Müll überall – die Erde steht vor dem Ökokollaps. Wie radikal müssen wir sein, um ihn noch abzuwenden? Das haben wir uns beim Greenpeace Magazin gefragt. Herausgekommen ist die Serie #Radikaldebatte. Hier lesen Sie persönliche Einsichten und Gedanken über radikale Konzepte im Kampf für eine bessere Welt