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Dogge, Mieze und das Klima: Die bedenkliche Ökobilanz von Haustieren Von Christiane Oelrich, dpa
Fliegen ist nicht gut fürs Klima - das ist jedem klar. Doch es gibt auch vernachlässigte Aspekte: Wie zum Beispiel steht es eigentlich um die Ökobilanz von Haustieren?
Schaffhausen (dpa) - Alle reden bei Maßnahmen gegen den Klimawandel von weniger Fliegen, weniger Fleisch essen und weniger Autofahren. Oft verkannt wird, dass auch Hund und Katze bei der Ökobilanz ihrer Frauchen und Herrchen zu Buche schlagen. Ein größerer Hund kann wissenschaftlichen Modellrechnungen zufolge schon die Hälfte der CO2-Emissionen ausmachen, die jeder Mensch nur verursachen dürfte, um nicht zum weiteren Klimawandel beizutragen.
«Wenn jemand zur Demonstration für mehr Klimaschutz mit einer 50-Kilo-Dogge geht und dann den Stopp von Kurzstreckenflügen verlangt, ist das eine Doppelmoral», sagt Matthias Finkbeiner, Leiter des Instituts für technischen Umweltschutz der TU Berlin, der Deutschen Presse-Agentur.
Wie sieht die Ökobilanz von Kira, Cleo und Konsorten aus? Die Berliner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dies 2020 für verschieden große Hunde berechnet. Sie haben die Herkunft und Herstellung des Futters sowie Verpackung und Transporte einbezogen, aber auch die Umweltfolgen durch Urin und Kot und die damit verbundene Straßenreinigung.
Das Ergebnis: Ein 30 Kilogramm schwerer Hund verursacht nach den Berliner Berechnungen in 18 Jahren rund 19 Tonnen CO2. Das entspricht pro Jahr rund 1050 Kilogramm, also gut eine Tonne CO2. In der Größenordnung liegen etwa eine kleinere Dobermann-Hündin oder ein kleiner Labrador-Rüde. Eine Tonne CO2-Ausstoß entspricht nach dem CO2-Flugrechner der Stiftung myclimate etwa einem Economy-Rückflug von Frankfurt nach Las Palmas auf den Kanarischen Inseln (1,1 Tonnen). Bei größeren Hunden wie Bernhardiner oder Dogge ist der CO2-Ausstoß größer, bei kleineren wie Mops oder Malteser kleiner.
Rechnerisch dürfte jeder Erdenbewohner nur zwei Tonnen (2000 Kilogramm) CO2 im Jahr ausstoßen, um das Klima nicht weiter zu belasten, denn das ist nach Angaben des Weltklimarats (IPCC) die Kapazität, die die Erde natürlich absorbieren kann. In Deutschland sind es zur Zeit deutlich mehr: Pro Person lag der Wert laut Bundesumweltministerium 2019 bei rund 8500 Kilogramm.
Das Ökobilanz-Institut ESU-Services in Schaffhausen in der Schweiz hat 2019 die Ökobilanz für Haustiere von Pferd bis Zierfisch berechnet. Die Methodik war anders, das Institut hat etwa Autofahrten in den Wald für Spaziergänge mit dem Hund oder den Wärmeverlust durch eine Katzenklappe einbezogen. Es kommt zu dem Schluss: Die Haltung eines 29-Kilo-Hundes - etwa ein Labrador - über ein Jahr entspricht etwa den CO2-Emissionen einer Autofahrdistanz über 2828 Kilometern. Die Haltung einer 4,2 Kilogramm schweren Katze entspricht etwa den CO2-Emissionen einer Autofahrdistanz von 1164 Kilometern.
Das Thema sei lange vernachlässigt worden, sagt Michael Bilharz vom Umweltbundesamt der dpa. Es scheiterte unter anderem an fehlenden Daten über die Umweltbelastung durch Haustiere. So habe es zwölf Jahre gedauert, bis Haustiere vor gut einem Jahr in den beliebten CO2-Rechner auf der Webseite des Amtes aufgenommen wurden.
Wer das Thema anpackt, muss mit Anfeindungen rechnen, sagen alle. Bei vielen Menschen steige angesichts solcher Berechnungen gleich der Blutdruck. «Geht's noch? Sollen wir Pferde, Hunde und Katzen alle sofort einschläfern lassen?», heißt es im Kommentar unter einem Beitrag zum Thema.
Die Wissenschaftler betonen: Es gehe nicht darum, Tierhalterinnen und -halter an den Pranger zu stellen. «Wir müssen uns aber klar darüber sein: Jedes Hobby verursacht Umweltbelastung», sagt ESU-Services-Gründer Niels Jungbluth. «Der eine geht Skifahren, der andere Golfen, der dritte hat ein Pferd, einen Hund oder eine Katze». Jeder müsse seine eigene Abwägung treffen, sagt Finkbeiner: «Einen Hund haben, jeden Tag Fleisch essen, das dickste Auto fahren und viel fliegen - das ist vielleicht zu viel.» Und Bilharz sagt: «Wer beispielsweise vegan lebt, kann seine Bilanz zwar um 800 bis 1000 Kilogramm CO2 im Jahr verbessern. Wenn man gleichzeitig aber einen Labrador oder Retriever hat, ist diese Einsparung wieder weg.»
Die Zahl der Hunde hat sich in Deutschland innerhalb von 20 Jahren mehr als verdoppelt. 2020 lebten hier nach Angaben des Verbands Heimtierbedarf 15,7 Millionen Katzen und 10,7 Millionen Hunde. Im Zuge der Pandemie, als vor allem in Lockdown-Zeiten vermehrt Haustiere angeschafft wurden, könnten es noch einmal merklich mehr geworden sein.
«Bei den Haustieren ist es faktisch ein Mengenproblem», meint Bilharz. Ein Wachhund auf dem Bauernhof oder eine Katze, die im Stall Mäuse fängt, sei das eine. «Aber wenn ich in dichter Wohnbebauung mit 400 Wohnungen in jeder fünften eine Katze habe und die alle durch den Hinterhof streifen und auf Jagd gehen, dann haben wir nicht nur ein Klimaschutzproblem, sondern dort bald auch keine Vögel mehr.»
Tierbesitzer führen oft an, dass Haustiere ihnen gut tun, das müsse berücksichtigt werden. So seien Leute mit Hunden mehr an der frischen Luft unterwegs, und sie flögen weniger. Kinder lernten, Verantwortung für Lebewesen zu tragen, Katzen könnten bei Depressionen und anderen psychischen Krankheiten helfen. «Wir stellen den Nutzen überhaupt nicht in Abrede», sagt Finkbeiner. «Aber in einer Ökobilanz hat so eine Abwägung nichts zu suchen. Es gibt ja auch bei «bösen Produkten» durchaus einen Nutzen: Der eine steigert sein Wohlbefinden durch einen Hund, der andere durch einen Porsche.»
Es gibt viele Stellschrauben, um die Ökobilanz bei Haustieren zu verbessern. «Muss man bei drei Kindern drei Katzen haben oder reicht auch eine?», meint Jungbluth. «Kann man nicht auch mit dem Nachbarshund Gassi gehen statt einen eigenen zu besitzen? Die Umweltbelastung durch Urin und Kot könne man zumindest teils mindern, indem man den Kot einsammelt, sagt Finkbeiner. Die CO2-Belastung durch das Verbrennen des Plastikbeutels mit dem Kot ist demnach geringer als der Schaden durch den Kot im Freien.
Den größten Teil der Klimawirkung hat den Berechnungen zufolge das Futter. «Es ist theoretisch möglich, erwachsene und gesunde Hunde auf rein pflanzlicher Basis zu ernähren», sagt Volker Wilke von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Versuche mit veganer Ernährung - etwa auf Basis von Erbsen, Linsen, Süßkartoffel oder Soja und mit Zusatz von Vitamin A, Taurin und anderen Aminosäuren - hätten keine negativen Folgen gezeigt. Nötig sei bei einer Umstellung aber der Rat kundiger Fachleute. Sonst drohten beim Hund Schädigungen von Herz- und Nervensystem, Muskelschwund oder andere Probleme.
«Um die Ökobilanz zu verbessern, muss es aber gar nicht um die Grundsatzfrage Fleisch ja oder nein gehen», sagt Wilke. Mehr Trocken- statt Nassfutter mache auch schon einen Unterschied. «Veganes Futter mit einem großen Anteil von Soja aus Brasilien und Zusatzstoffen aus anderen Erdteilen als Nassfutter in der Dose kann um ein Vielfaches klimaschädlicher sein als fleischhaltiges Trockenfutter, das hier hergestellt wird.» Besser werde die Bilanz auch durch das Füttern von Fleisch und Nebenprodukten, die der Mensch nicht isst - etwa Euter oder Lunge der Kuh - oder durch Insekten als Proteinquelle.
Bei der Katze sei es schwieriger, sagt Wilke. «Es ist nahezu unmöglich, eine Katze auf pflanzlicher Basis zu ernähren.» Man könne die Ökobilanz aber auch hier verbessern, indem man Nahrung nicht mit besonders viel Muskelfleisch, sondern tierischen Nebenprodukten verwendet oder nach Möglichkeit mehr Trockenfutter füttert.
Viele Tiere würden ohnehin überfüttert. «Eine Anpassung der Fütterung an den wirklichen Bedarf hätte im Sinne der Nachhaltigkeit auch ein enormes Potenzial», sagt Wilke. «Viele Haustiere leiden unter Übergewicht. Nicht nur im Sinne der Gesundheit, sondern auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit sollten man darauf achten, dass der Vierbeiner schlank bleibt.»