Liebe Leserinnen, liebe Leser,
seit Ende August 2024 ist die Redaktion geschlossen, das letzte Heft erschien Mitte September. Als Chefredakteur und Geschäftsführer habe ich mich meist im Hintergrund gehalten, der Redaktion die Bühne in der Öffentlichkeit gegeben, auch mit ihrem neuen Projekt „Atmo Magazin“, das sie noch während der Zeit beim Magazin planen konnten. Und für das sie umfangreiche Unterstützung durch Greenpeace Media und Greenpeace erhalten haben. Erlauben Sie mir nun einige persönliche Worte und Einschätzungen.
Wieso? Weshalb? Warum?
Ein Magazin mit knapp 50.000 Abos einzustellen, und den Betrieb der Greenpeace Media GmbH, das erschien und erscheint manchem unverständlich und höchst bedauerlich (es waren nur einige Hundert Leser, die sich dazu gemeldet haben). Und auch manche Kolleginnen und Kollegen halten es noch immer für eine Fehlentscheidung. Ja, der Impuls ist verständlich: Andere Magazine würden tagelang feiern, wenn sie am Jahresende noch 50.000 Abos hätten.
Leider war die Feierlaune bei Greenpeace Media und beim Greenpeace Magazin schon länger eingetrübt, denn der Wunsch, es doch „besser“ machen zu können, zu müssen, traf hier immer mehr auf die Realität der „freien Wirtschaft“. Was ist damit gemeint? Nun, wenn man Textilien mit hohen Kosten nach allerhöchsten Standards produziert, beim Magazin für feste und freie Mitarbeiter faire Löhne bezahlt, dies auch von allen Beteiligten deutlich erwünscht ist, aber eben nicht wie „die anderen“ mit Einnahmen durch Werbung, nötigenfalls drastischen Einsparungen, der Vernachlässigung ethischer Kriterien, dem Einkauf ohne Rücksicht auf Lieferketten usw. auf die Möglichkeiten der Marktwirtschaft zurückgreifen kann, dann wird der Spielraum viel kleiner. Die genannten Ansprüche sind richtig und wichtig, jedoch: Es interessierte letztlich zu wenige Kundinnen und Kunden, Leserinnen und Leser, um sich – vor allem ohne Werbung – zu refinanzieren.
Ging doch
2018 wurde ich vom Greenpeace e. V. beauftragt, dort als Leiter der Kommunikation, das Magazin als Chefredakteur und Greenpeace Media als Geschäftsführer zu übernehmen. Das Magazin war zu der Zeit schon länger auf Schlingerkurs. Geboren aus den kostenlosen Greenpeace Nachrichten, mit einer Auflage von weit über 100.000, hatte es über Jahrzehnte kontinuierlich an Auflage verloren. Schon vor 10 Jahren war ein Ende absehbar, sollte der ständige Rückgang der Abonnenten nicht gestoppt werden.
Tatsächlich konnten wir 2019 und 2020 das Magazin nach intensiven Diskussionen erstmals länger stabil halten: Durch eine Änderung des Layouts, anderem Storytelling und Themen reduzierten wir die Abo-Kündigungen. Durch Ausrichtung auf neue Zielgruppen (die den Förderern von Greenpeace entsprechen), dem massiven Ausbau des Marketings und der Online- und Offline-Werbung für Abonnements kamen neue Leser hinzu. Die Auflage stabilisierte sich bei etwa 60.000. Die Zukunft schien wieder rosig. Auch unsere Buch- und Kalenderprojekte verkauften weit mehr als die Produkte in den Jahren zuvor. Unsere Magazintitel wurden sogar zweimal mit Preisen für die Cover des Jahres ausgezeichnet.
Zwar war jede Ausgabe ein Kraftakt, gefühlt wie die Neugründung eines Unternehmens, aber wir waren auf dem richtigen Weg. Selbst der Knackpunkt in fast allen Redaktionen – das interne Drängen mancher Personen auf : und * – konnte mit vielen Gesprächen und Workshops in eine moderne Art der geschriebenen Gleichberechtigung umgewandelt werden. Ohne die Rechtschreibregeln zu ignorieren.
Corona und der Krieg
Dann kam 2020 Corona. Der Kioskverkauf, schon bisher keine große Einkommensquelle, sondern eher eine Marketingmaßnahme, brach innerhalb weniger Wochen zusammen. Zwar stiegen gleichzeitig die Textilverkäufe in unserem Onlineshop auf einen siebenstelligen Betrag, aber bereits 2021 ließ die Nachfrage für die weltweit am saubersten produzierten Textilien spürbar nach. Und die Zahl der Abos begann wieder zu sinken. Die Zukunft wechselte von rosig auf hellrot, und wieder wurde deutlich, wie eng der finanzielle Rahmen schon seit Jahren war.
Auf Corona folgten 2022 der Angriff auf die Ukraine und die Inflation: Schnell war klar, dass wir nun am Abgrund stehen. Aus Hellrot wurde Dunkelrot. Der kleine Verlag Media GmbH (mit über 3,5 Millionen Euro Umsatz und 20 Mitarbeitern), war jetzt von der internationalen Politik, der Wirtschaft und den Krisen massiv beeinflusst: Unsere Umfragen zeigten, dass unsere Leser sparsamer wurden und auch 50 € für ein Abo einsparen wollten oder mussten. Oder 30 € für ein giftfrei produziertes T-Shirt. Zudem sind die meisten auch Förderer des Vereins und spenden somit gefühlt bereits für die Umweltsache. Warum dann auch noch weiter ein Greenpeace Magazin bezahlen, fragten sich nicht wenige bis dahin treue Leserinnen und Leser, und kündigten.
Der Rückgang war nicht mehr aufzuhalten, trotz aller Werbung, aufwendiger Präsenzen auf Messen, wo wir manchmal 100 Probeabos am Tag abschließen konnten, davon aber dann doch nur wenige als Leser dauerhaft dabei bleiben wollten. Manche Abonnenten waren auch schon so alt, dass sie das Magazin nicht mehr lesen konnten. Junge Menschen wollten und wollen im gleichen Maße kein Geld für ein Umweltmagazin ausgeben. Damit sanken die Einnahmen weiter, das verfügbare Budget für Werbung wurde immer geringer. Ein Teufelskreis.
Das darf nicht sein!
Intern solche schlechten Nachrichten zu verbreiten, manchmal wöchentlich, das bleibt nicht ohne Reaktion. Menschen suchen nach Gründen, warum es plötzlich schlecht läuft und dann werden die Fakten von Emotionen überschwemmt – was nicht sein darf, kann nicht sein.
Alle Hochrechnungen Ende 2022 zeigten bereits eine mögliche Insolvenz in den kommenden Jahren. Drastische Sparmaßnahmen, wie Kündigungen oder Gehaltskürzungen, waren aufgrund unserer Werte nicht umsetzbar. Drastische Preiserhöhungen ebenso wenig, argumentierten die Kündiger doch schon mit den gestiegenen Kosten allerorten. Anfang 2023 war der Ausblick desaströs. Hinzu kommt: Das Magazin hatte in den vergangenen Jahren auch sein Alleinstellungsmerkmal verloren, die kritische Berichterstattung über den Klimawandel. Den gab und gibt es inzwischen „umsonst“ im Netz oder in der täglichen Zeitung, nicht genug Menschen können den inhaltlichen Mehrwert eines Artikels im Greenpeace Magazin im Vergleich zum Text im Wissenschaftsteil der FAZ erkennen. Zu wenige, um das Magazin am Leben zu erhalten
Rettungsversuche
Im Frühjahr 2023 versuchten die Verantwortlichen bei Greenpeace mit mir, in vielen Gesprächen, noch Wege zu finden, um das Magazin zu retten. Das Ergebnis aller Planspiele war immer das gleiche: Spätestens Ende 2025 ist selbst mit Mitarbeiterkündigungen für das Magazin Schluss, alle Reserven verbrannt und die Firma pleite. Es war daher wichtig, dass wir uns schnell an die Mitarbeitenden wenden.
Mitte 2023 informierte die Gesellschafterin Greenpeace die Kolleginnen und Kollegen über die Entscheidung, in einem Jahr alles einzustellen. Den Shop, der inzwischen hohe Verluste machte, und auch das Magazin. Damit blieb Geld übrig, um Abfindungen zu bezahlen. Wir informierten auch deshalb so frühzeitig, damit alle ein Jahr lang nach einem neuen Job suchen konnten. Unser Rechtsanwalt und sogar der Notar waren voll des Lobes für die umsichtige und ordentliche Abwicklung, genau so müsse die Einstellung eines Geschäftsbetriebes laufen. Auch die Lieferanten waren froh, so schnell Bescheid zu wissen. Bei den Mitarbeitenden waren die Reaktionen jedoch teils dramatisch, manche Kollegen arbeiteten ja schon fast ihr halbes Leben für das Magazin.
Wie viele echte Leser?
Lassen Sie mich zum Anfang zurückkommen, 50.000 Abos. Oft habe ich mich gefragt, wie viele Menschen die Artikel tatsächlich lesen und wie viele das Heft nur abonniert haben, weil sie Unterstützer von Greenpeace sind und damit dem Verein zusätzlich Geld zukommen lassen wollen, mit Greenpeace als hundertprozentige Gesellschafterin. Unsere Umfragen zeigten, dass fast alle das Heft lesen. Vielleicht eine gewollt korrekte Antwort, manchmal hatten wir so wenige Leserbriefe, dass wir die Seiten kaum vernünftig füllen konnten. Noch heute schicken Abonnenten Kündigungen, obwohl in sechs Ausgaben stand, dass das Magazin eingestellt wird.
Ich danke Ihnen an dieser Stelle für all die Jahre, die Sie das Magazin abonniert hatten. Sie haben geholfen, mehr als 20 Menschen ein festes Auskommen zu sichern und ihrem Anliegen, die Welt zu retten und zu verbessern, eine Stimme zu geben.
Ihnen alles erdenklich Gute.
Ihr
Michael Pauli
Journalist, Chefredakteur und Liquidator der Greenpeace Media GmbH
Kurz nach der berühmt gewordenen Aktion bei der Chemie- und Pestizidfirma Boehringer am 24. Juni 1981 in Hamburg, als zwei Greenpeace-Aktivisten 26 Stunden lang in luftiger Höhe auf einem Schlot ausharrten, schlug die Geburtsstunde der Greenpeace-Nachrichten. Das Informationsblatt für Förderer und Förderinnen des frisch gegründeten gemeinnützigen Vereins Greenpeace e.V., eilends im Do-it-yourself-Verfahren zusammengebastelt, erschien im Format DIN A3, auf A2 gefaltet, in strengem Schwarzweiß, oder besser gesagt Schwarzgrau. Reines Weiß gab das damals verfügbare Recyclingpapier nicht her, aber wozu auch – auf den grünen Inhalt kam es schließlich an: die spektakulären Kampagnen und Aktionen von Greenpeace und die erzielten Erfolge. Später erschienen die Greenpeace-Nachrichten als Heft im Format A4 und legten, als sich die Themenpalette um Kampagnen erweiterte, an Umfang zu.
Als aber mit Nr. III/1985 die Greenpeace-Nachrichten erstmals in Farbe gedruckt wurden – Motto: Warum muss Umweltschutz eigentlich in Sack und Asche gehen? – wurde es vielen Leserinnen und Lesern zu bunt. In Briefen und Anrufen brachten sie ihre Empörung zum Ausdruck: Das sei ja viel zu stromlinienförmig! Zu teuer! Zu umweltschädlich! Die beiden letzteren Einwände ließen sich zum Glück widerlegen, der Rest lief unter Geschmackssache. Nach einer gewissen Gewöhnungsphase legte sich die Aufregung.
Das Greenpeace Magazin trat ab Ausgabe I/1990 zum ersten Mal unter diesem Namen und mit neuer Dachzeile („Magazin für Umwelt und Politik“) in Erscheinung, neu gestaltet, auf freundlich-hellem Recyclingpapier und obendrein mit verändertem Konzept. Zwar spielten die Aktivitäten von Greenpeace noch immer eine zentrale Rolle, doch erschienen nun auch zunehmend Artikel außerhalb des Themenspektrums der Umweltschutzorganisation.
Mit der ersten Ausgabe des Jahres 1993 war die Geschichte des Greenpeace Magazins als reine Fördererzeitschrift beendet. Ab sofort konnten Interessierte das sechsmal im Jahr erscheinende Heft nicht nur wie bisher schon am Kiosk kaufen, sondern für fünf Mark pro Ausgabe auch abonnieren. Das Magazin sollte finanziell, aber auch inhaltlich auf eigenen Füßen stehen. In Hintergrundberichten, Reportagen und Interviews ging es inzwischen ganz allgemein um Umwelt- und Menschenrechtsthemen. Zum Markenzeichen wurden die exzellenten Fotos.
Das hieß aber natürlich nicht, dass Förderinnen und Förderer ab sofort auf Informationen über Greenpeace verzichten mussten. Denn seit September 1993 informieren die Greenpeace Nachrichten viermal jährlich alle Unterstützerinnen und Unterstützer der Umweltorganisation kostenlos und exklusiv über Aktionen und Kampagnenarbeit. Die Fördererzeitschrift wird von der Greenpeace Media GmbH in Zusammenarbeit mit Greenpeace erstellt.
Trotz aller innerlichen und äußerlichen Wandlungen, die das Greenpeace Magazin im Laufe der Zeit vollzogen hat – personelle Wechsel auf allen Ebenen, neue Konzepte für Layout und Inhalt sowie Digitalisierung – gibt es aber auch Konstanten. Das sind zum einen die anspruchsvolle und mehrfach preisgekrönte Gestaltung und zum anderen die komplette Abwesenheit bezahlter Werbung, was unter deutschen Magazinen Seltenheitswert hat.
Das heißt: Werbung gibt es auch beim Greenpeace Magazin, allerdings in leicht verfremdeter Form. Seit 1996 erscheint auf dem Rücktitel des Hefts die Rubrik „Keine Anzeige“. Sie nimmt die vollmundigen Versprechungen der Werbewirtschaft für Produkte aller Art satirisch aufs Korn und textet sie um – vom spritschluckenden Auto über plastikumhüllte, pestizidgetränkte oder fett- und zuckertriefende Lebensmittel bis zu ökologisch fragwürdigen Fernreisen und klimaschädlichen Energien. Diese Fake-Anzeigen kommen der Wahrheit weitaus näher als ihre realen Vorbilder.
Die Website des Greenpeace Magazins, die 1996 noch vor dem Internetauftritt von Greenpeace online ging, hat mittlerweile auch schon mehrmals Inhalt und Outfit gewechselt. Aber bis heute informiert sie konstant über wichtige Entwicklungen bei Umweltpolitik, Klimawandel, Naturschutz, Artenvielfalt, Engagement und Menschenrechten – mal in längeren Hintergrundgeschichten, mal in kürzeren Meldungen oder durch den Nachrichtenticker sowie die tägliche Presseschau. Darüber hinaus gewährt greenpeace-magazin.de Einblicke in das Heft, hier können Sie ausgewählte Geschichten und Rubriken aus dem Magazin lesen.
Das Greenpeace Magazin gibt es nicht nur als Printausgabe, sondern mittlerweile auch als App für Tablet und Smartphone. In den sozialen Medien – auf Facebook, Twitter und Instagram – ist es ebenfalls vertreten.