Wie traurig das alles ist: Kein friedliches Fest der Demokratie, bei dem Millionen Menschen aus ganz Amerika friedlich in der Hauptstadt Washington zusammenkommen, um bei der Vereidigung von Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris, der ersten Frau und ersten Schwarzen in dieser Position, dabei sein zu können. Stattdessen stehen über 20.000 Soldaten und tausende Polizist*innen und andere Sicherheitsbeamte bereit, die Zeremonie vor rechtsradikalen Trump-Anhängern zu schützen. Wenn Biden und Harris dann endlich ihre Eidesformel sprechen, wird es einem vorkommen, als sei die Novemberwahl nicht erst zwei Monate, sondern schon Jahre her, so zerrissen und erschöpft zeigen sich die USA von vier Jahren Trump‘scher Dauerpropaganda und der Coronapandemie. Von der „Einheit“, die der neue Präsident Joe Biden beschwört, ist das Land derzeit so weit entfernt wie von der Klimaneutralität.
Aber vielleicht wird man den 20. Januar ja hinterher einmal als Tag der großen Wende zum Besseren markieren. Immerhin, die Sonne scheint und der Himmel leuchtet blau, während es bei der Amtseinführung vor vier Jahren zu regnen begann, sobald Donald Trump anfing zu reden. Und eines steht bereits heute fest: In den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz werden die USA unter der neuen Regierung eine radikale Kehrtwende vollziehen. Trump habe „die Profite der Konzerne über die Umwelt und die Gesundheit der Bürger*innen“ gestellt, hatte Greenpeace USA vor den Wahlen resümiert und dem Präsidenten dafür die Umweltnote F gegeben – eine glatte sechs. Der Rückzug vom Pariser Klimaschutzabkommen, die Entmachtung der US-Umweltbehörde, die Rücknahme von 125 Umweltschutzbestimmungen oder die großzügige finanzielle Unterstützung der Öl- und Kohleindustrie aus dem Staatshaushalt, um nur einige Beispiele zu nennen – Trumps Regierungszeit wirkte wie ein vier Jahre langer Wutanfall; ein allumfassender Akt der Zerstörung gegen alles, was das Überleben der Natur, die Zukunftsfähigkeit des Landes und die Gesundheit seiner Bürger*innen anbelangt.
Während Donald Trump bis heute das Ausmaß der Klimakrise nicht begriffen hat – schließlich werde es trotz angeblicher Erderwärmung im Winter immer noch saukalt, ja, manchmal schneie es sogar –, spricht Joe Biden von einer „existenziellen Bedrohung für die Menschheit“. Bis zum „Point of no return“ blieben der Welt noch acht, maximal zehn Jahre. Man habe „die moralische Pflicht“, endlich mehr dagegen zu unternehmen, erklärte er während des Präsidentschaftswahlkampfes. Damit weiß er sich mit einer wachsenden Mehrheit der US-Bevölkerung einig. Vor kurzem sprachen sich 82 Prozent von ihnen dafür aus, dass die Regierung mehr für den Klimaschutz tun müsse – so viele wie noch nie. Für 25 Prozent der Befragten ist das Thema auch persönlich „extrem wichtig“, ergab eine weitere Umfrage, auch dies ein Rekordwert und eine Verdoppelung gegenüber den Werten von 2015.
Dabei sieht Biden den Kampf gegen die Klimakrise nicht als isoliertes Problem, sondern als Hebel für eine umfassende Veränderung des Landes. In seinen Reden malt er eine blühende Zukunft mit „Millionen neuer grüner Jobs“, einer klimaneutralen Erneuerung des Verkehrs, einer sauberen und gesunden Umwelt für alle sowie einer führenden Rolle der USA, wenn es um ökologiegetriebene Innovationen und die globale Zusammenarbeit geht. „Das Beste kommt erst noch“, verkündet er – wie so gut wie jeder US-Präsident vor ihm. Hier ein Blick auf die wichtigsten Herausforderungen auf diesem Weg – und das Team, mit dem sich der 78-jährige auf die große grüne Reise begibt.
Die letzte Chance für den Klimaschutz
Den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen werde er am ersten Tag seiner Amtszeit wieder rückgängig machen, hatte Joe Biden im Wahlkampf angekündigt. Doch mit einer einfachen Unterschrift ist es nicht getan. Denn die Regierung Trump vollzog nicht nur den Austritt aus dem Abkommen, der seit November 2020 rechtsgültig ist, sondern hebelte auch die damit verbundene Klimaschutzgesetzgebung aus, zu der sich das Land eigentlich verpflichtet hatte. Daher muss das Team Biden jetzt einen neuen Aktionsplan dazu entwickeln, wie sie die Vorgaben des Abkommens erfüllen will. Diese „Nationally Determined Contribution“ (NDC), also der nationale Beitrag zum weltweiten Klimaschutz, sollte allerdings kein Problem darstellen, wenn es Biden gelingt, seinen Klimaschutzplan durch den Kongress zu bringen oder durch präsidiale Verordnungen zu erlassen. Die Ziele sind ambitioniert: Bis zum Jahr 2035 soll die amerikanische Energieversorgung klimaneutral sein, bis 2050 das ganze Land. Vier Millionen Gebäude sollen in den kommenden Jahren energetisch saniert werden. Jede Stadt über 100.000 Einwohner*innen bekommt ein klimaneutrales Angebot für den öffentlichen Nahverkehr. Die Regierung Biden will dafür ein Programm in Höhe von umgerechnet über 1,5 Billionen Euro auflegen, das Dreifache der gesamten deutschen Staatsausgaben.
Wenn alles klappt, wären die USA beim Pariser Klimaschutzabkommen zum 9. November 2021 wieder offiziell mit dabei – rechtzeitig zum Beginn der nächsten großen Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow. Eine aktive Rolle der USA im globalen Kampf gegen die Klimakrise ist dringend nötig. Als zweitgrößter Verursacher waren die USA 2019 für 13,4 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Auf Platz eins liegt China mit einem Anteil von dreißig Prozent. Die Verständigung beider Staaten über wesentliche Punkte des Pariser Abkommens – noch zu Zeiten von Präsident Barack Obama – hatte den Weg für die weltweite Vereinbarung überhaupt erst geebnet. Mit Joe Biden, Kamala Harris und ihrem außenpolitisch erfahrenen Team kehren die USA jetzt auf die Bühne des internationalen Klimaschutzes zurück. Innerhalb der ersten hundert Tage seiner Amtszeit wolle er die Vertreter*innen der wichtigsten Industriestaaten zusammenrufen, um verschärfte gemeinsame Klimaschutzmaßnahmen zu verabreden, hatte Biden im Dezember angekündigt. „Wir werden die unglaubliche Arbeit würdigen, die Städte, Staaten und Unternehmen geleistet haben, um Emissionen zu reduzieren und eine sauberere Zukunft aufzubauen. Wir werden auf die Aktivisten hören und eng mit ihnen zusammenarbeiten, einschließlich der jungen Menschen, die weiterhin Alarm schlagen und von uns Veränderungen fordern." Die Welt schien auf solche Worte gewartet zu haben. Gleich in seiner ersten Gratulation zur Wahl hatte der britische Premierminister Boris Johnson die „gemeinsamen Prioritäten beim Klimaschutz“ angesprochen. Die Staatsoberhäupter aus Griechenland, Island, Österreich, den Fidschi-Inseln, Neuseeland oder Schweden nahmen in ihrer ersten Nachricht an den neuen Präsidenten ebenfalls auf die Klimakrise Bezug. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrer Glückwunschbotschaft den Klimaschutz im Sinn. Die USA und „Deutschland als Teil der Europäischen Union“ müssten „im Kampf gegen die Erderwärmung und ihre Folgen“ eng zusammenstehen.
Alles so schön bunt hier – das Biden-Harris-Team
Auch wenn die Nominierungen noch durch den US-Senat abgesegnet werden müssen – bereits heute steht fest, dass die neue Regierung so divers sein wird wie keine vor ihr: der höchste Frauenanteil, so viele Schwarze, Latinos, Indigene wie noch nie, mit Pete Buttigieg der erste offen schwule Verkehrsminister und mit Rachel Levine die erste Transfrau als Staatssekretärin. Bidens Ankündigung aus dem Wahlkampf, eine Regierung zu berufen, die das Gesicht des Landes widerspiegelt, wurde eingelöst. Wobei das Regierungsgesicht einige Falten mehr durchziehen dürfte als im Landesdurchschnitt. In der Umwelt- und Klimaschutzpolitik setzt der neue Präsident vor allem auf erfahrene und bestens vernetzte Kräfte, die wissen, wie man gute Ideen in Regierungshandeln verwandeln kann. Insgesamt haben so viele umweltpolitische Expert*innen einflussreiche Positionen übernommen wie nie zuvor in der US-Geschichte.
Mit der Berufung des ehemaligen Außenministers John Kerry zum internationalen Klimaschutzbeauftragten setzt Biden ein starkes Signal an die Weltöffentlichkeit. Für den 77-Jährigen ist der weltweite Klimaschutz in den vergangenen Jahren zur Herzensangelegenheit geworden. Gemeinsam mit – unter anderem – Leonardo DiCaprio, Jimmy Carter und dem ehemaligen republikanischen Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, initiierte er 2019 „World War Zero“, ein betont überparteiliches Bündnis aus einflussreichen Persönlichkeiten dafür. Kerry selbst war es, der 2016 im Namen der USA seine Unterschrift unter das Pariser Klimaschutzabkommen gesetzt hatte. Seine damals zweijährige Enkelin Isabelle saß dabei auf seinem Schoß – ein symbolischer Hinweis auf die kommenden Generationen, deren Zukunft durch das Vertragswerk gesichert werden sollte.
Nationale Klimaberaterin wird Gina McCarthy, unter Barack Obama noch Leiterin der Umweltbehörde (EPA). Ihre Position wird ebenfalls neu geschaffen. Als EPA-Leiterin hatte sie eine Vielzahl von Regelungen durchgesetzt, mit denen etwa die Öl- und Kohleindustrie zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen gezwungen wurde. Sie sei „tough und lustig“, schrieb der bekannte Umweltaktivist und Autor Bill McKibben in einem Tweet zu ihrer Berufung. Und sie kenne die „Fallstricke der Bürokratie“.
Mit der Energiewende „Made in USA“ wird vor allem die nominierte Energieministerin Jennifer Granholm, ehemalige Gouverneurin von Michigan und ausgewiesene Fachfrau für alternative Energien, beschäftigt sein. Die schlagfertige Politikerin gilt aufgrund ihrer guten Kontakte zur US-Autoindustrie als diejenige im Kabinett, die das Land in Richtung umweltfreundliche Mobilität voranbringen soll. Dabei wird ihr Ex-Präsidentschaftskandidat Pete Buttigieg, der nominierte Verkehrsminister, zur Seite stehen. Er soll die infrastrukturellen Voraussetzungen für den Umbau schaffen – unter anderem durch den Bau von einer halben Million Ladestationen für Elektroautos.
Als Leiter der Umweltbehörde EPA berief Biden mit Michael S. Regan aus North Carolina den ersten Schwarzen auf dieser Position. Mit Brenda Mallory, einer renommierten Anwältin für Umweltrecht, wird dem US-Umweltrat „Council on Environmental Quality“ (CEQ) ebenfalls eine Schwarze vorstehen. Das Büro berät die Regierung in Umweltfragen und führt, vor allem für große staatliche Infrastruktur- und Bauprojekte Umweltprüfungen durch.
Die Konstruktion der neuen Regierung lässt darauf schließen, dass Biden Umweltpolitik tatsächlich als Querschnittsaufgabe begreift und nicht in ein einzelnes Ministerium auslagert. Der neuen Innenministerin Deb Haaland aus New Mexico, der ersten Indigenen der US-Geschichte, die auf einen Ministerposten berufen wurde, obliegt unter anderem die Aufsicht über Nationalparks und die nationalen Ressourcen wie Gas, Öl oder Wasser. Und sie wird den Stimmen der indigenen Völker Gehör verschaffen, deren Gebiete nicht länger für Ölleitungen, Straßenbauprojekte oder dergleichen mehr zerstört werden sollen. Hier lassen Gerüchte darauf hoffen, dass die Genehmigung für den Bau der riesigen Öl-Pipeline Keytone XL, die teilweise durch indigene Gebiete führt, von der Biden-Regierung wieder zurückgenommen wird.
Die Zusammensetzung des Regierungsteams unterstreicht Bidens Ruf als Teamplayer, der kein Problem mit herausragenden Persönlichkeiten hat. Der neue Präsident wird als emphatisch, angenehm uneitel und lernfähig beschrieben. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle, die seine Familie für sein politisches Gespür spielt. Persönliche Tragödien formten ihn – seine erste Frau Neilia kam gemeinsam mit seiner kleinen Tochter Naomi bei einem Autounfall ums Leben, sein Sohn Beau starb mit 46 Jahren an einem Gehirntumor, der zweite Sohn Hunter kämpfte lange mit Drogenproblemen. Mit seiner zweiten Ehefrau Jill bekam er Tochter Ashley und ist inzwischen stolzer Großvater von sieben Enkelinnen und Enkeln. Vor allem auf sie nimmt er immer wieder Bezug, wenn es um Fragen wie die Klimakrise oder Rassengerechtigkeit geht. „Fridays for Future“ und „Black Lives Matter“ sitzen bei ihm mit am Familientisch.
Mehr als Klimaschutz – Politik gegen die Ungerechtigkeit
Unter dem frisch gewählten Präsidenten Joe Biden wird jedes Ressort – vom Verkehr über die Landwirtschaft bis zur Finanz- und Gesundheitspolitik – aktiv mit dem Umwelt- und Klimaschutz befasst sein. Ein ganzes Bündel entsprechender Maßnahmen kann dabei auch auf dem Verordnungsweg und damit relativ rasch ohne komplizierte Gesetzesverfahren angeschoben werden. Das Onlinemagazin Vox nannte konkrete Beispiele:
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Aggressive Grenzwerte für die Methanverschmutzung bei neuen Öl- und Gasbetrieben
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Umstellung der öffentlichen Beschaffung auf erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge
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Eine Verpflichtung für staatliche Infrastrukturprojekte, die Klimabelastung merklich zu reduzieren muss
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Verbot neuer Genehmigungen für Öl- und Gasbohrungen auf öffentlichem Land
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Ausbau der geschützten amerikanischen Land- und Wasserflächen bis 2030 auf je dreißig Prozent (derzeit sind es zwölf Prozent des Landes und 26 Prozent der Gewässer)
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Massive Aufforstung
Ein wichtiger, längst überfälliger neuer Akzent der amerikanischen Umweltpolitik liegt auf dem Thema „Environmental Justice“, das man etwas ungelenk mit „Umweltgerechtigkeit“ übersetzen könnte. Der enge Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und sozialer Diskriminierung wurde auf Bundesebene lange mehr oder weniger ignoriert, obwohl viele Aktivist*innen sowie Wissenschaftler*innen immer wieder darauf hingewiesen hatten. Seit Jahrzehnten belegen Studien, dass Schwarze, Hispanics oder Indigene wesentlich häufiger neben vergifteten Gewässern oder Mülldeponien leben, schlechtere Luft einatmen und härter von den Folgen der Klimakrise – wie Überflutungen oder Hitze – betroffen sind. Sechzig Millionen Amerikaner*innen haben keinen Zugang zu einer zuverlässigen und sauberen Wasserversorgung. 200.000 sterben jährlich an den Folgen der Luftverschmutzung.
Bidens Klimaprogramm trägt diesem Zusammenhang schon in seinem Namen Rechnung. Sein „Plan to Secure Environmental Justice and Equitable Opportunity in a Clean Energy Future” (Plan zur Sicherung von Umweltgerechtigkeit und Chancengleichheit in einer sauberen Energiezukunft) besagt zum Beispiel, dass vierzig Prozent aller Investitionen für erneuerbare Energien in besonders benachteiligte Kommunen gehen sollen. Seine Vizepräsidentin Kamala Harris hatte bereits im August 2020 gemeinsam mit Alexandria Ocasio-Cortez („AOC“), dem jungen Star der demokratischen Linken, einen Gesetzesentwurf für „Klimagerechtigkeit“ ins Parlament eingebracht, der den Gesundheitsschutz der von Umweltverschmutzung und Klimawandel besonders stark betroffenen Kommunen thematisierte. Der designierte Gesundheitsminister Xavier Becerra wird eigens für dieses Thema eine neue Abteilung in seinem Ministerium schaffen. Und auch der Umweltrat CEQ sieht in der „Environmental Justice“ den „zentralen Fokus der neuen Umweltpolitik“, erklärte Seniordirektorin Cecilia Martinez.
Ein weiteres Umweltthema, das durch die neue Regierung neuen Schub erhält, ist der Ausbau des Bahnverkehrs. Als junger Senator verdiente sich Joe Biden den Beinamen „Amtrak Joe“, weil er jahrelang jeden Tag mit dem Zug eineinhalb Stunden von Washington nach Wilmington, Delaware, heimfuhr, um wenigstens den Abend und Morgen mit seinen beiden Söhnen verbringen zu können, die ohne Mutter aufwachsen mussten. Auch während des Präsidentschaftswahlkampfes war Biden im Zug unterwegs. Diese sentimentale Bindung in Kombination mit dem festen Glauben an die Zukunft des amerikanischen Bahnverkehrs bestärkt die Pläne für den Ausbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes, das den klimaschädlichen Flugverkehr ersetzen soll.
Und noch mehr Gefühl: Nach Trump, der als Bilderbuchnarzisst anders als seine Vorgänger im Amt nichts mit einem persönlichen Haustier anfangen konnte, um das er sich hätte kümmern müssen, wird Biden die Tradition wieder aufnehmen, und nicht einen, sondern gleich zwei „First Dogs“, Champ und Major, durchs Weiße Haus toben lassen. Die Nähe zu Tieren drückt sich in ambitionierten Plänen für den Artenschutz aus, für die Biden sogar die Anerkennung der Tierschutzorganisation PETA gewinnen konnte. Sie gibt anlässlich der Amtseinführung eine Drive-In-Party in Washington, um zu feiern, dass es „endlich wieder Tiere im Weißen Haus gibt“.
Ein paar Flecken aufs Grün – die Probleme
Jeden Tag sterben 4000 Menschen an Covid-19, das Land steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise und ist so verschuldet wie noch nie, die Infrastruktur liegt am Boden, die Herausforderungen für den Klima- und Umweltschutz sind gewaltig. Wie immer in der jüngeren US-Geschichte müssen sich Demokrat*innen an die Aufräumarbeiten machen, nachdem republikanische Präsidenten das Land mit ihrer Politik gegen die Wand gefahren haben. Das war 1993 so, als Bill Clinton das wirtschaftliche Desaster der Reagan-Bush-Ära erbte, oder 2009, als Barack Obama und sein Vizepräsident Joe Biden das Land vor dem Zusammenbruch des Finanzsystems und der kompletten Industrie retten mussten. Diesmal kommt eine tiefe politische Krise dazu, in der wir es nicht allein mit ideologischen Gegensätzen zu tun haben, sondern mit unterschiedlichen Wirklichkeiten. Nach einer nie da gewesenen Lügenkampagne zum angeblichem Wahlbetrug – angefacht von Donald Trump, rechten Medien wie Fox oder Newsmax und einer millionenstarken Social-Media-Gefolgschaft – halten einer CNN-Umfrage zufolge nur 19 Prozent der Trump-Wähler Joe Biden für einen legitimen Präsidenten. Bestürzend viele Amerikaner*innen sind fest davon überzeugt, dass eigentlich Trump die Wahlen gewonnen habe und folgen Verschwörungstheorien, nach denen es sich bei den Demokrat*innen um eine hinterhältige Bande von Kinderschändern und Blutsaugern handele, die nebenbei auch noch die weiße Rasse ausrotten wollen. Tatsächlich weigerten sich auch 138 republikanische Abgeordnete sowie sechs Senatorinnen und Senatoren, den längst zertifizierten Wahlsieg von Joe Biden anzuerkennen. Vor allem der Senat kann viele Gesetze blockieren und bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der starke rechtsextreme Flügel der Republikaner*innen dort eine aggressive Obstruktionspolitik betreiben wird. Im Senat steht es 50 zu 50 zwischen Republikaner*innen und Demokrat*innen – bei Stimmengleichheit entscheidet Vizepräsidentin Kampala Harris. Da kann es sich noch als problematisch erweisen, dass es bei jeder Abstimmung auf demokratische Senatoren wie den erklärten „Green New Deal“-Gegner Joe Manchin aus der Kohlehochburg West-Virginia ankommen wird.
Dazu kommt, dass Präsidialverordnungen, mit denen Biden in der Anfangszeit vor allem regieren wird, zwar nicht die Zustimmung des Kongresses benötigen, aber vor Gericht angefochten werden können. Am Supreme Court, dem höchsten US-Gericht, gibt es eine stramm konservative Mehrheit, nach deren Rechtsauffassung staatliche Eingriffe durch Umwelt- oder Arbeitsschutzbestimmungen gern mal als Angriff auf die individuellen Freiheitsrechte der Unternehmen bewertet werden. Und die noch kurz vor den Wahlen im Senat durchgepeitschte neue Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett, Tochter eines schwerreichen Ölmagnaten, hatte bei ihrer Anhörung den Klimawandel nicht als Tatsache bezeichnen mögen, sondern als „politische Kontroverse“.
Schließlich hat auch der linke Flügel der Demokrat*innen ebenso wie viele Umweltaktivist*innen angekündigt, die Regierung Biden-Harris beim Klimaschutz von Tag eins an unter Druck zu setzen. Dabei möchte das „Green New Deal Network“, ein Zusammenschluss mehrerer Umweltgruppen vom Sunrise Movement über den Sierra Club bis zu Greenpeace die überlebenswichtige Umweltpolitik nicht allein in der Hauptstadt Washington ausgefochten wissen. „Echter Wandel kann nicht von oben verordnet werden“, sagt Daniela Ing, eine der Sprecher*innen des Networks. „Man kann ihn nicht einfach einigen Expert*innen und Lobbyist*innen in Washington überlassen. Wir kämpfen überall, in allen fünfzig Bundesstaaten.“
Donald Trump versus Joe Biden – die zurückliegende Präsidentschaftswahl in den USA war an Dramatik kaum zu überbieten. Es ging um die ganz großen Fragen: Wie geht es mit der amerikanischen Demokratie weiter, was zählen dabei Menschenrechte und Umweltschutz und auf welcher Grundlage werden künftig politische Entscheidungen getroffen? Hier finden Sie unsere Beiträge zum Thema