Rechenzentren sind das Rückgrat unserer Digitalisierung. Aber sie brauchen Unmengen an Energie und so viel Kühlwasser, dass Anwohner und Wasserversorger alarmiert sind.
Die Hitze scheint nicht zu weichen aus Talavera. Mitte Oktober sind es noch immer fast dreißig Grad. Südlich der Stadt fließt der Tajo, doch er bringt kaum Abkühlung in diese karge zentralspanische Landschaft. Die extreme Dürre der vergangenen beiden Sommer hat vielen Bauern die Ernten verdorben, den Wein, auch die Oliven. Die Arbeitslosenrate der Stadt gehört zu den höchsten Spaniens. Es sieht nicht gut aus für Talavera.
Doch es naht Rettung, aus Amerika. Der Technologieriese Meta, der Facebook und Instagram betreibt, will ein gigantisches Rechenzentrum bauen. Hunderte Arbeitsplätze erhofft man sich in der Stadt. Auch für die Bauern hat Marc Zuckerbergs Konzern etwas im Gepäck: Wasseraufbereitung. Man werde lokale Projekte zum Erhalt des Wassers unterstützen, verspricht Meta, und mehr Wasser aufbereiten, als man für das eigene Kühlsystem der Server benötige – und das sei sehr sparsam.
Nicht alle glauben an die paradiesischen Aussichten. Aurora Gómez wirft den Investoren „koloniales Gehabe“ vor. Das Greenpeace Magazin erreicht die Psychologin am Telefon. Die Nacht sei so warm gewesen, dass sie kaum habe schlafen können, sagt Gómez. „Firmen wie Meta locken mit den immer gleichen Versprechen von Arbeitsplätzen, Prosperität und Nachhaltigkeit, doch tatsächlich konkurrieren sie mit uns um das Leitungswasser."
Um die empfindlichen Server der gut hundert Hektar großen Rechnerfarm zu kühlen, wird der Konzern rund 600 Millionen Liter Wasser im Jahr brauchen.
Meta nutzt dafür Ansaugluft aus Verdunstungskühlung, was vergleichbar ist mit der Kühle, die man spürt, wenn man sich über angefeuchtete Haut pustet – nur in größerem Maßstab. Die Technik gilt als energieeffizient und braucht keine schädlichen Kältemittel wie Klimaanlagen, aber viel Wasser.
In Talavera sollen 200 Millionen Liter aus dem Trinkwassernetz der Stadt kommen, der Rest aus einem Nebenarm des Tajo, der wichtigsten Wasserader der Iberischen Halbinsel. „Tu nube seca mi río“ heißt die Bürgerinitiative, die Gómez mit anderen Aktivisten gestartet hat: „Deine Cloud trocknet meinen Fluss aus.“ Ihre Befürchtung: Der Durst der Datenzentren könnte dem Fluss, dem die Dürre und die Entnahmen der Landwirtschaft sowieso schon sehr zusetzen, den Rest geben.
Gómez’ Gruppe hat es nicht leicht mit dem Protest. Rechenzentren sind keine Kohlekraftwerke, die fossile Stoffe verbrennen. Sie sind der technische Nabel der Welt, an dem wir alle hängen: Die Serien, die wir streamen, die Clouds, in denen wir Daten speichern, die sozialen Netzwerke, in denen wir interagieren – ohne die Supercomputer im Hintergrund liefe nichts. TechKonzerne wie Google, Meta, Microsoft oder die Telekom verfügen über Hunderte solcher Knotenpunkte auf der ganzen Welt.
Dabei ist nicht nur ihr Wasserbedarf ein Problem. Kaum eine Industrie frisst so viel Energie: Bereits im Jahr 2021 verbrauchten alle Rechenzentren auf der Welt nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur zwischen 500 und 650 Terawattstunden Strom. Das ist etwa so viel wie Deutschland benötigt – inklusive aller Privathaushalte, Gewerbe, Industrie und öffentlichen Einrichtungen. In Frankfurt, der deutschen Industrieserver-Hochburg, brauchen die Riesenrechner inzwischen ein Drittel der städtischen Energie, weit mehr als der Flughafen. Anwendungen wie die der künstlichen Intelligenz (KI) sorgen für stetig steigenden Strombedarf. Ginge es so weiter, ungebremst und ohne Effizienzgewinne, könnten die Rechenzentren nach Expertenschätzungen in einigen Jahren dreißig Prozent des weltweit erzeugten Stroms brauchen. Dabei beziehen längst nicht alle Datenriesen ausschließlich grüne Energie, sondern oft noch solche aus fossilen Quellen.
Der zunehmende CO2-Ausstoß hat also auch damit zu tun, wie sehr sich unser Leben ins Netz verlagert hat.
Fossile Energie für TikTok-Videos
Auch hierzulande wird ein Großteil des Stroms für die digitale Infrastruktur noch immer aus Kohle, Erdöl und Erdgas gewonnen – die Ökobilanz der Rechenzentren sieht entsprechend dürftig aus. Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom waren die deutschen Standorte trotz verbesserter Effizienz im Jahr 2022 für rund 7,8 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich.
Doch diese Auswirkungen scheint kaum jemand mit den Serverfabriken in Verbindung zu bringen, die wie Hochsicherheitstrakte gesichert sind. Die wenigen Bilder aus ihrem Innern vermitteln eine menschenleere, kühle Reinraumatmosphäre wie aus einem Science-Fiction-Film – steril, aufgeräumt, eine saubere Sache. Wie sehr sich der digitale Konsum von seinen Konsequenzen entkoppelt hat, zeigte sich in der Coronakrise. Nach außen hin schien sich die Welt zu erholen: der Flugverkehr eingestellt, Industrien im Stillstand, 2,4 Milliarden Tonnen CO2 gespart. Doch während wir zu Hause am Computer saßen und der Wirtschaft beim Schrumpfen zusahen, ist auch etwas gewachsen: unser digitaler Stromverbrauch – und der in den Rechenzentren, in denen die Infrastruktur dafür steht.
Zoom-Konferenzen, Streamingdienste und TikTok-Videos haben die Server heiß laufen lassen: Im ersten Coronajahr benötigten die deutschen Datenzentren 16 Milliarden Kilowattstunden, so viel elektrische Energie wie nie zuvor. Ganz Berlin kam mit rund zwölf Milliarden Kilowattstunden nicht annähernd auf diese Menge.
Fest steht: Jede digitale Aktion belastet auch die Umwelt. Wie sehr, haben Organisationen wie „Compare the Market“ oder das „Carbon Literacy Project“ genauer berechnet: Schon eine Standard-Mail verursacht demnach etwa vier Gramm CO2. Selbst wenn die Mail an eine Kollegin geschickt wird, die im gleichen Büro arbeitet, sendet sie Daten an Rechenzentren, die oft weit entfernt stehen, legt so mitunter Tausende Kilometer zurück und durchläuft Dutzende Router und Server. Enthält die Mail ein Urlaubsfoto und wird an zehn Freunde verschickt, entspricht dies einer Autofahrt von 500 Metern.
Eine Minute TikTok-Nutzung kommt demnach auf 2,6 Gramm CO2, fünf Minuten TikTok pro Tag entsprächen im Jahr fünf Kilogramm CO2 – unter den beliebtesten Social-Media-Plattformen ist dies der schlechteste Wert. Würde TikTok die genutzten Großrechner mit grünem Strom betreiben, ließe sich dieser Wert wohl verbessern, aber der chinesische Konzern hinter der App hat dazu bislang weder Zahlen noch einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht.
Transparenz scheint keine Stärke der vermeintlich kommunikationsfreudigen Branche: Lange erschien der Sektor wie eine Geheimwissenschaft, es gab keine Daten und kaum Auskünfte. Als Google in der amerikanischen Stadt The Dalles vor Jahren ein Rechenzentrum plante, tarnte man sich dort so lange wie möglich. Laut einem Bericht im Magazin „Fortune“ trat der Konzern mit einem Agenten und unter Codenamen wie Design LLC oder Project Triple 12 auf. Als das Zentrum dann lief, seien Daten zum Wasserverbrauch in der dürregeplagten Gegend in Oregon über Jahre verschwiegen worden. Google erklärt dazu, Projektnamen zu verwenden sei eine übliche Praxis in der Entwicklungsphase. Spezifische Wasserdaten habe man als Geschäftsgeheimnis betrachtet, veröffentliche sie aber inzwischen. Googles Wasserverbrauch im Jahr 2022 lag demnach weltweit bei 21 Milliarden Litern, zwanzig Prozent über dem des Vorjahrs. Für ein geplantes Datenzentrum in Brandenburg, war jüngst zu lesen, habe der Konzern auf einen neuen Standort ausweichen müssen. Der örtliche Wasserversorger, der auch den Durst der Tesla-Fabrik stillen muss, hatte Alarm geschlagen: Ein weiterer Großabnehmer übersteige die Kapazitäten. Google bezeichnete die Berichte als „irreführend“. Die Verfügbarkeit von Wasser, hieß es auf einmal, sei gar keine Voraussetzung für entsprechende Anlagen.
Das Herumdrucksen scheint Methode zu haben: „Die Unternehmen halten Informationen zurück, weil sie eine öffentliche Debatte und eine mögliche Regulierung scheuen“, sagt Ana Valdivia. Die KI-Forscherin arbeitet am britischen Oxford Internet Institute zu Rechenzentren und ist gerade im Norden Mexikos unterwegs, als man sie erreicht. Das Land, so Valdivia, sei ein beliebter Standort für die Datenriesen, es gebe billige Energie und günstiges Wasser.
Die Forscherin hat auch die Kollateralschäden derartiger Projekte gesehen, etwa im Bergort Maconí im Bundesstaat Querétaro. Dessen Bewohner sind vor kurzem in die Landeshauptstadt gezogen, um ihren Zugang zu Trinkwasser einzufordern. „Der Gemeinde war eine Verbesserung der Infrastruktur versprochen worden“, sagt Valdivia. Stattdessen sei ihr das Wasser abgegraben worden, das nun per Pipeline als Kühlwasser in einen Industriepark mit Datenzentrum geleitet werde. „Auf der einen Seite steht Hightech, und ein paar Dutzend Kilometer entfernt sitzen die Leute auf dem Trockenen.“
Auch die im Rechenzentrum versprochenen Arbeitsplätze ließen auf sich warten, bisher gebe es nur etwa ein Dutzend. Enttäuscht wurden Erwartungen auch andersorts, in der spanischen Region Aragon etwa: Die Amazon-Tochter AWS, die dort drei Datenzentren betreibt, habe laut Medienberichten 1300 Jobs in Aussicht gestellt. Bisher hat die lokale Presse gerade einmal 50 bis 75 feste Arbeitsplätze pro Standort ausgemacht. Die Zahl von 1300 Jobs, so Amazon, stamme aus einer Impaktstudie und betreffe direkte und indirekte Arbeitsplätze. Die Zahl der AWS-Angestellten wollte Amazon nicht nennen.
Moratorium für neue Rechenzentren
Bei den Prognosen zum Wasserverbrauch verhält es sich genau umgekehrt wie mit denen zu Jobs: Hier wird gern untertrieben. Wie schwammig die Abschätzungen sein können, zeigte sich in den Niederlanden. In einer Microsoft-Anlage erwies sich der Wasserverbrauch laut Recherchen des „Noordhollands Dagblad“ mit 84 Millionen Litern pro Jahr als viermal so hoch wie kalkuliert. Die niederländische Regierung verhängte aus diesem Grund im Februar 2022 ein vorübergehendes Moratorium für den Bau großer Rechenzentren. Microsoft sagt, man habe nie bestimmte Trinkwassermengen versprochen. Ursprüngliche Angaben von zwölf bis zwanzig Millionen Liter seien „alte Zahlen“ gewesen, danach sei das Projekt gewachsen. Zudem habe man inzwischen eine Methode entwickelt, Regenwasser zur Kühlung zu verwenden, und werde in Zukunft in den Niederlanden nicht mehr auf Trinkwasser zugreifen.
Achtsamkeit ist offenbar ein neuer Trend in der Branche. Sehr lange konnte sie unreguliert vor sich hin wachsen, jetzt scheint man ein Bashing als Umweltsünder zu fürchten, wetteifert um bessere Effizienz und gibt sich als Vorreiter im Ergrünen. Google etwa will seine Datenzentren bis 2030 rund um die Uhr „carbon free“ betreiben, allerdings auch mit Atomstrom. Meta strebt an, bis 2030 „wasserpositiv“ zu sein und mehr Wasser an die Umwelt zurückführen, als ihr entnommen werde – das allerdings mithilfe von allerlei Naturschutz- und Kompensationsprojekten. Derartige Projekte, deren Nutzen sich bisher oft als fraglich erwies, wird man angesichts des wachsenden Wasserkonsums bitter nötig haben: Allein das Training des KI-Sprachmoduls ChatGPT-3 hat für die Kühlung der Server laut US-Forschenden 700.000 Liter Wasser verbraucht. Das würde reichen, um 320 Teslas zu produzieren, so ihre Rechnung.
Im spanischen Talavera indes scheint die Vorfreude über den neuen Investor aus Amerika ungebrochen. Etwa 250 Fußballfelder groß soll der Campus von Meta werden, der direkt an ein Naturschutzgebiet mit seltenen Vögeln wie dem Spanischen Kaiseradler grenzt.
Der sozialistische Regionalpräsident von Kastilien-La Mancha deklarierte das Vorhaben zu einem „Projekt von einzigartigem Interesse“, was schnellere Genehmigungswege möglich macht. Aktivistin Aurora Gómez hält das für absurd, nicht nur wegen der Nähe zum Naturschutzgebiet, sondern auch angesichts der angespannten Wasserlage in Spanien. Nach offiziellen Angaben befinden sich knapp vierzig Prozent des Landes im Wassermangelnotstand oder in einer Alarmvorstufe. Das allerdings scheint die Investoren nicht zu stören: Nach Prognosen des Branchenverbands Spain DC wird sich die Zahl von bisher 23 Datenzentren bis 2026 mehr als vervierfachen. Er werde nicht zulassen, so der Regionalpräsident, „dass sich auch nur ein einziges Unternehmen aufgrund von Wassermangel in diesem Gebiet nicht niederlassen kann“.
Das unheimliche Wachstum der IT-Systeme – mittlerweile hat es auch die deutsche Politik erreicht. Bereits im Ampel-Koalitionsvertrag steht, dass Rechenzentren ökologisch und klimaschonend betrieben werden sollen, bis 2027 sollen die Anlagen in Deutschland zu hundert Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien laufen. Doch ausgerechnet die Datenzentren des Bundes hinken den Zielen deutlich hinterher, wie eine Kleine Anfrage der Linken im Dezember 2023 ergab. Nur 74 von 118 Anlagen nutzen demnach erneuerbare Energien. Von jedem vierten Rechenzentrum ist allerdings weder der Ökostromanteil noch der Energieverbrauch bekannt. Die allermeisten Betreiber setzen für die Belüftung der Server noch immer, statt etwa auf Wasser, auf Klimaanlagen mit umweltschädlichen Kältemitteln. Die Auszeichnung mit dem „Blauen Engel“ schafften gerade mal zwei Zentren – aber nur nach einer veralteten Berechnungsmethode.
Die Wärme, die beim Betrieb der Server anfällt, verwerten nur elf Anlagen in irgendeiner Form. Die zwölf Großrechner des Klimaministeriums von Robert Habeck gehören nicht dazu. Dort wird die Ressource einfach in die Luft geblasen.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 2.24 "Böden". Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!