Plastik reduzieren, Ökostrom nutzen, eine klimabewusste Ernährung und Mobilität – was viele im Privaten längst verwirklichen, ist am Arbeitsplatz gar nicht so einfach. In unserer Ausgabe 3.22 zeigen wir, wie sich gemeinsam mit Gleichgesinnten auch dort viel in Richtung Umweltschutz bewegen lässt
Am Anfang war die Brötchentüte. Die hatte ein Fenster aus Plastik, damit man in der Auslage sehen konnte, ob ein Croissant in ihr steckt oder eine Käsestange. Doch die Angestellten in der Kantine von Vodafone in Düsseldorf ließen sich leicht davon überzeugen, die Backwaren fortan ohne Tüte in der Vitrine zu präsentieren und zum Mitnehmen in Papiertüten einzupacken.
Okay, die Welt rettet das nicht. Aber es ist ein Anfang. Umweltbewusste Mitarbeiter haben in der Deutschlandzentrale des Kommunikationskonzerns mit Vorschlägen wie diesem eine Welle ökologischer Innovationen angestoßen: In der Kantine wird jetzt krummes Gemüse verkocht, in den Küchen gibt es Öko-Spültabs, ungenutzte Postfächer wurden in Recyclingboxen für Althandys umgewidmet, ein Bauer verkauft vor Ort einmal die Woche Biolebensmittel aus der Region, es gibt ein Repair-Café, begrünte Dächer und selbst gebaute Insektenhotels. „Das könnte eine Nachhaltigkeitsabteilung allein kaum bewerkstelligen“, sagt Alexandra Faustin, eine der Initiatorinnen.
Wie die Betriebswirtin und ihre 16.000 Kolleginnen und Kollegen bei Vodafone Deutschland verbringen viele Menschen den Großteil ihrer Tage am Arbeitsplatz. Oft sind sie nur kleine Rädchen in großen Unternehmen, und dennoch können sie viel bewirken, wenn es darum geht, Umweltverschmutzung und Emissionen in ihrer Firma zu vermeiden. Dabei hilft es, wenn man Gleichgesinnte findet. Bei Alexandra Faustin war das Andrea Scholz.
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Schon rund 10.000 Auszubildende in Industrie und Handwerk haben eine Qualifizierung zum „Energie-Scout“ durchlaufen (bit.ly/energie-scout). Sie suchen Einsparpotenziale in ihren Betrieben und setzen die Maßnahmen um. Einige Industrie- und Handelskammern bieten neben Fortbildungen in Klimaschutz- und Energiemanagement auch eine Weiterbildung im „Betrieblichen Mobilitätsmanagement“ an. Sie qualifiziert Mitarbeitende, für ihre Firmen alternative Konzepte für Arbeitswege, Dienstreisen und Transporte zu entwickeln.
Die beiden, seit 2011 fest bei Vodafone, haben immer viel darüber geredet, dass man in einem so großen Konzern für die Umwelt doch viel mehr bewegen könnte als allein im Privaten. Im Frühjahr 2019 fanden sie zwei weitere Mitstreitende. Ein paar Wochen lang überlegten sie zu viert, was man in der Kantine, in den Büros und anderswo bewegen könnte. Im Oktober 2019 hatte das „TeamGreen“ dann seinen ersten öffentlichen Auftritt in Workplace, dem internen Unternehmensnetzwerk.
„Am Ende des ersten Tages hatten sich mehr als 400 Mitglieder in unserer Gruppe angemeldet“, erzählt Faustin. „Wir waren glücklich, aber das hat uns auch etwas überrollt.“ Heute zählt das TeamGreen rund tausend Mitglieder, 25 bis 30 von ihnen bilden den harten Kern. Sie laden zum Beispiel einmal im Monat Öko-Vorbilder zum digitalen Infotalk, zum Beispiel den Gründer eines Unverpackt-Ladens. Mehr als zwanzig solcher Talks, die für Nachhaltigkeit und grüne Ideen sensibilisieren sollen, fanden bereits statt, regelmäßig hören um die 200 Kolleginnen und Kollegen in der Mittagspause zu.
Gemeinsam ist besser
Engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich zu Netzwerken zusammenschließen, sind für Susanne Blazejeski ein guter Anfang. Die Professorin erforscht an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn, wie nachhaltiges Arbeiten möglich wird – und welche Rolle engagierte Angestellte dabei spielen. Einzelkämpfer haben es schwer, ist Blazejewkis Erfahrung. „Wenn ich das Gefühl habe, allein zu sein, ist es schwierig, dauerhaft die eigene Motivation aufrechtzuerhalten.“ Und der Umwelt ist auch nur wenig gedient, wenn ich meine Dienstreisen als Einzige in der Firma mit dem Zug mache, während alle anderen zwischen München und Frankfurt hin- und herfliegen.
Damit das Engagement Schule macht, ist mehr nötig als guter Wille. Überzeugungsarbeit gehört dazu. „Wer sich nur auf Nachhaltigkeit als ethische Norm beruft, erreicht viele Mitarbeitende nicht“, sagt Susanne Blazejewski. Es gehe auch um den konkreten Mehrwert, den jeder und jede Einzelne für sich sieht: um Arbeitserleichterung, mehr Kunden, zufriedene Kolleginnen und Kollegen, ein besseres Produkt oder einfach mehr Freude in der Arbeit. Und gegenüber der Personalabteilung könne man herausstellen, dass heute für die Mehrzahl der Top-Absolventen verantwortliches Handeln im Unternehmen wichtiger sei als ein hohes Einstiegsgehalt.
Weiterziehen
Wem es am eigenen Arbeitsplatz nicht ökologisch genug zugeht, die oder der findet auf Portalen wie goodjobs.eu aktuell rund tausend freie Stellen bei nachhaltigen und sozialen Arbeitgebern, aber auch Jobs mit Nachhaltigkeits-Profil in „normalen“ Firmen. Große Portale für grüne Jobs sind auch jobverde.de und greenjobs.de. Praktika und Ehrenämter in ganz Europa sind auf oekojobs.de zu finden. Die Initiative „On Purpose“ bietet Menschen auf der Suche nach einer Tätigkeit mit Sinn eine einjährige Führungskräfteausbildung mit Arbeitseinsätzen in Sozialunternehmen an.
Florian Schöps kennt diese Überzeugungsarbeit. Umweltschutz ist „sein Hobby“, erzählt der Hamburger. Beim gemeinsamen Frühstück im Büro der 3D-Visualisierungs-Agentur RenderThat hat der Projektmanager schon immer erzählt, was ihn im Privatleben bewegt – und sich nebenbei um die Mülltrennung gekümmert. Irgendwann wurde er gefragt, ob er nicht Nachhaltigkeitsbeauftragter werden wolle. Schöps stellte die Serverfarm der Agentur auf Ökostrom um und entwickelte eine Nachhaltigkeitsstrategie. Im internen Newsletter schreibt er über selbstgemachtes Waschmittel („gar nicht so schlecht“), nachhaltigen Urlaub und saisonale Ernährung. Das größte Thema hat er aber im eigenen Lebenslauf angepackt: Er hat gerade ein Masterstudium in „Sustainability Management“ begonnen.
An der Leuphana Universität Lüneburg bildet Studiengangsleiter Stefan Schaltegger seit 19 Jahren Menschen wie Florian Schöps aus, deren Karriereverständnis darauf ausgerichtet ist, „sich in Richtung sinnstiftender Arbeitsinhalte zu entwickeln.“ Sie sollen zukunftsfähiges Unternehmertum lernen, auf dem Lehrplan stehen Themen wie nachhaltiges Lieferkettenmanagement oder Sustainable Finance. Der Nachhaltigkeitsexperte findet, dass jeder seine Chance nutzen solle, einen Unterschied zu machen: „Nichts zu tun mit der Begründung, man könne sowieso nichts ändern, ist eine faule Ausrede.“
An Ideen fehlt es nicht
Doch es muss nicht gleich ein Hochschulabschluss in Nachhaltigkeit sein. Manchmal reicht schon die Frage: Warum machen wir das eigentlich so? Bei der Firma Wulff Med Tec, die nördlich von Heide in Schleswig-Holstein Klinikmatratzen herstellt, fragten sich das zum Beispiel die Mitarbeiterinnen, die die Aufträge bearbeiten. Müssen wir das Formular wirklich dreifach ausdrucken – für Produktion, Näherei und Versand? Heute sparen sie Papier, indem sie die Auftragsnummer mit Filzstift auf den Karton schreiben. Für den Versand wird das Formular ergänzt, das sowieso mitgeschickt wird. Im Jahr nach der Umstellung sank der Papierverbrauch um zwanzig Prozent. Mit einem firmeneigenen Windrad, Fotovoltaik auf den Produktionshallen, Energiespeichern und Wärmepumpen ist Wulff Med Tec auf dem Weg zur Energieautarkie. Und neue Außerndienstmitarbeitende überzeugt Firmenchef Heino Wulff persönlich davon, dass man auch mit einem E-Auto Kliniken in ganz Deutschland abklappern kann.
In jedem Unternehmen gibt es Leute, die etwas bewegen wollen, sagt Forscherin Susanne Blazejewski. Häufig aber stünden interne hierarchische Strukturen dem Umweltengagement von Mitarbeitenden im Weg, wenn gute Ideen versickern oder Vorgesetzte allzu selbstbewusste Untergebene fürchten. In sehr kleinen Firmen, wo es ohne ein hohes Maß an Eigeninitiative nicht geht, fällt der grüne Wandel manchmal leichter. Das kleine Team der „WeiberWirtschaft“, ein Gründerinnenzentrum in Berlin, wagte 2019 ein Experiment: Wer ein Jahr lang in kein Flugzeug steigt, bekommt drei Tage Sonderurlaub. „Die meisten haben eh schon über das Thema nachgedacht“, sagt Geschäftsführerin Katja von der Bey. Sie wollte ein Zeichen setzen und andere Firmen zum Nachahmen anstiften. Das Experiment glückte: Neun der elf Mitarbeiterinnen bekamen 2021 den Zusatzurlaub, der auch eine zeitlich aufwendigere An- und Abreise am Boden ermöglicht. Sie selbst sei seit 2018 nicht mehr geflogen.
Weitermachen
Angestellte unterschiedlichster Unternehmen haben die Initiative „Employees For Future“ ins Leben gerufen und im Geiste von Greta Thunberg eine ausführliche Roadmap für den Weg zum umweltverträglicheren Arbeiten erstellt: Von Tipps für den richtigen Einstieg ins Thema bis zu konkreten Hilfestellungen bei der CO2-Kompensation, grünen Suchmaschinen oder der Anschaffung von Firmenfahrrädern gibt es unter employeesforfuture.org viele Informationen.
Jeder Schritt zählt
Bei Vodafone gibt noch keinen Sonderurlaub für Flugverzicht. Als Dienstwagen dürfen zwar seit 2020 keine reinen Verbrenner mehr bestellt werden, aber das Management hat noch die Option auf ein Hybridauto, das weite Strecken mit Benzin fährt. Alexandra Faustin würde sich wünschen, dass alle Dienstwagen reine E-Autos wären. „Aber das geht nicht mit Verboten“, sagt sie. Sie setzt darauf, dass mit dem Ausbau der Ladestruktur Hybridfahrzeuge möglichst bald aus der Flotte verschwinden.
Als „Öko-Tante“ möchte Faustin nicht wahrgenommen werden. Deshalb legt sie darauf Wert, dass das Engagement des TeamGreen über Mehrwegbecher und Mülltrennung hinausgeht. Es gehe um einen systemischen Wandel von unten, sagt Faustin, und auch um die dicken Bretter: nachhaltige Lieferketten zum Beispiel. Die durchzusetzen, das funktioniere aber nicht von einem Tag auf den anderen.
Können einzelne Mitarbeitende tatsächlich das Geschäft auf grün umkrempeln? Wahrscheinlich nicht. Aber sie können etwas bewegen, zusammen mit der Politik und immer mehr Unternehmern und Unternehmerinnen, die ihre Firmen auf Klimakurs bringen. Manchmal entwickelt sich aus dem freiwilligen Engagement sogar eine Karriereoption. Andrea Scholz, die das TeamGreen bei Vodafone mitgegründet hat, ist inzwischen ganz offiziell für das Thema Nachhaltigkeit im Privatkundengeschäft zuständig. Auch Alexandra Faustin kann in ihrem Job als IT-Controllerin Öko-Ideen für energiesparende Rechenzentren und Endgeräte einbringen. Sie ist davon überzeugt, dass es bald ganz neue Geschäftsmodelle geben wird, die Kreisläufe schließen, CO2 vermeiden und sich mittelfristig auch finanziell rechnen. Wenn das TeamGreen schließlich gar nicht mehr gebraucht werden würde, wäre sie ganz zufrieden.
Dieser Artikel ist als Extra zum Ukrainekrieg in der Ausgabe 3.22 „Ich bin raus!" des Greenpeace Magazins erschienen. Im Schwerpunkt dreht sich hier alles um Menschen, die das Gefühl antreibt, dass es mehr geben muss als Eigennutz und eine Wirtschaft, die auf Ausbeutung basiert. Um diese Menschen kennenzulernen, haben wir das ganze Land bereist und dabei viel Optimismus erlebt, der Sie hoffentlich genauso inspiriert wie uns. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel. Alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!