Dicke Schneeflocken fallen auf Patricia Gutknechts schwarze Wollmütze. Kalt ist es an diesem Februartag in Hamburg, die Wetter-App zeigt Minusgrade an. Das scheint die Leiterin des Recyclinghofs St. Pauli nicht zu stören. Gutgelaunt steht sie im orangefarbenen Overall der Stadtreinigung Hamburg beim Pförtnerhäuschen, an dem alle mit Schutt und Müll beladenen Fahrzeuge vorbeimüssen.

„Jeden Tag, wenn wir hier die Säcke mit dem Hausmüll durchsehen, finden wir mindestens in einem Sack auch Batterien. Da kann man sich ja vorstellen, wie viele Leute ihre Batterien auch Zuhause einfach in den Restmüll schmeißen“, sagt Gutknecht und sieht schon weniger glücklich aus. In Deutschland gibt es eine Quote für Haushaltsbatterien: Fünfzig Prozent der in Umlauf gebrachten Batterien müssen wieder eingesammelt werden. Und tatsächlich landet auch etwa jede Zweite bei den zuständigen Stellen.

<p>Patricia Gutknecht leitet die Geschäfte auf dem Recyclinghof St. Pauli in Hamburg</p>

Patricia Gutknecht leitet die Geschäfte auf dem Recyclinghof St. Pauli in Hamburg

Viel zu wenig, findet die Fachfrau für Kreislaufwirtschaft und redet gegen den Lärm der im Hintergrund rangierenden Lkws an: „Wir wollen ja eigentlich hundert Prozent zurückbekommen. Damit wir die nicht irgendwann ausgelaufen im Wald finden und damit wir die Materialien wiederverwerten können. Nickel, Cadmium, Blei und so weiter, das sind ja alles Rohstoffe, die nicht unendlich vorhanden sind.“

Außerdem ist der Abbau der Rohstoffe energieaufwendig, häufig umweltschädlich und mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. Damit die in Batterien verarbeiteten Rohstoffe wie Blei, Schwefelsäure, Eisen Mangan, Nickel, Zink, Cadmium sowie Quecksilber, aber auch Kobalt, Kupfer und Aluminium erneut zur Batterieherstellung eingesetzt werden können, müssen sie nach Gebrauch in Altbatteriesammlungen entsorgt werden.

Wenn man Batterien einfach in den Restmüll schmeißt oder – noch schlimmer – in den Wald, besteht die Gefahr, dass problematische Schwermetalle frei werden. In Böden und Grundwasser können die giftigen Substanzen Pflanzen und Tiere schädigen, das Trinkwasser belasten und sich in der Nahrungskette anreichern. Auch die Müllverbrennungsanlagen sind auf größere Mengen der giftigen Stoffe nicht ausgelegt.

Gerade bei lithiumhaltigen Akkus, wie sie in Handys oder Laptops zu finden sind, muss man aufpassen. Hier kann eine falsche Lagerung, beispielsweise bei zu großer Hitze oder Feuchtigkeit, Brände auslösen, sowohl Zuhause wie auch in Mülltonnen oder Lagerstätten. Die dabei austretenden Dämpfe und Substanzen sind giftig und stark reizend und können schwerwiegende Folgen für Gesundheit und Umwelt haben.

Eine Sammelquote von hundert Prozent, wie von Gutknecht gefordert, könnte da helfen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg: Erst Anfang des Jahres hat die Bundesregierung ein neues Batteriegesetz auf den Weg gebracht, in dem die offizielle Rücknahmequote für Haushaltsbatterien von 45 auf fünfzig Prozent erhöht wurde. Das wirkt nicht gerade ambitioniert, zumal die reale Sammelquote von Gerätebatterien schon 2019 über fünfzig Prozent lag.

Alle Behälter sind klar gekennzeichnet, hier kommen neben Batterien auch Druckpatronen und Leuchtstofflampen rein

Bei Batterien, die bei Sammelstellen abgegeben werden, können die Wertstoffe herausgefiltert und weiterverwendet werden

Alle Behälter sind klar gekennzeichnet, hier kommen neben Batterien auch Druckpatronen und Leuchtstofflampen rein

Bei Batterien, die bei Sammelstellen abgegeben werden, können die Wertstoffe herausgefiltert und weiterverwendet werden

Björn Bischoff vom Umweltbundesamt räumt ein, dass die Erhöhung im neuen Gesetz von einem Durchbruch weit entfernt ist: „Das ist eher ein Aufrechterhalten des Status quo, muss man ehrlicherweise sagen.“ Eine zu hohe Quote hätte laut dem Rechtsexperten allerdings andere negative Folgen gehabt, zwar nicht für die Umwelt, aber für die sogenannten Rücknahmesysteme.  

Laut Batteriegesetz sind nämlich die Hersteller verpflichtet, alle Kosten der Entsorgung von Haushaltsbatterien zu tragen. Dafür müssen sie spezielle Akteure, die besagten Rücknahmesysteme, beauftragen. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher ihre alten Batterien bei den Sammelstellen in Supermärkten, Drogeriemärkten, öffentlichen Einrichtungen oder bei den Recyclinghöfen abgegeben haben, ist es die Aufgabe der Rücknahmeunternehmen, diese einzusammeln und in Recyclinganlagen zu bringen. Dort werden die Wertstoffe aus den Altbatterien zurückgewonnen und der unbrauchbare Rest fachgerecht entsorgt.

„Zwar gibt es bei der Verwertung immer Verluste. Aber etwa siebzig bis achtzig Prozent der wertvollen Rohstoffe können wir zurückgewinnen“, sagt Patricia Gutknecht. Die Leiterin des Recyclinghofs ist gerade noch über das verschneite Gelände gelaufen, vorbei an den Tonnen, in denen verschiedene Batterietypen gesammelt werden, und vorbei an den großen offenen Containern, in denen alles von Elektroschrott über Waschmaschinen bis hin zu Bauschutt lagert. Im Büro lässt sie sich leicht außer Atem in ihren Chefinnensessel fallen.

<p>Auf dem Recyclinghof St. Pauli hat jede Abfallsorte ihren eigenen Container</p>

Auf dem Recyclinghof St. Pauli hat jede Abfallsorte ihren eigenen Container

Dass die Hälfte aller Gerätebatterien irgendwo in Schubladen, im Restmüll oder in dunklen Ecken verschwindet, anstatt auf ihrem Hof oder bei anderen Sammelstellen abgegeben zu werden, erklärt sich die Hofleiterin mit Ignoranz oder Desinteresse: „Wer immer noch nicht weiß, was man mit Sondermüll und Wertstoffen macht, der will es nicht wissen.“

Stephanie Weller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen geht da noch einen Schritt weiter. Sie sieht die Schuld weniger bei den Verbrauchern als in der mauen Informationsvermittlung begründet. Das habe sich durch die Batteriegesetz-Novelle vom Januar zwar verbessert, weil nun alle Rücknahmefirmen in der Informationspflicht seien. Wie gut sie das umsetzen werden, bleibe mangels regelmäßiger Evaluation und Sanktionen aber unklar. Außerdem kritisiert die Verbraucherschützerin die unambitionierte Sammelquote von fünfzig Prozent und zu schwammige Ökovorgaben. So steht im neuen Gesetzestext, dass Hersteller belohnt werden sollen, wenn sie ökologische Kriterien bei der Produktion von Batterien einhalten, also geringere Schadstoffmengen verbauen und den Fokus auf Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit richten. Das klingt erstmal gut, aber ohne klare Vorgaben und Kontrollen der Umsetzung bleibt auch hier unklar, was am Ende dabei rauskommt. „So werden die Verantwortlichen wieder nur das Nötigste machen“, so Weller, „und das reicht nicht.“

Mit dieser Kritik rennt sie bei einem der Rücknahmesysteme offene Türen ein, und zwar bei der Mutter aller Batteriesammler, der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien (GRS). Diese war als „Gemeinsames Rücknahmesystem“ seit 1998 dafür verantwortlich, alte Haushaltsbatterien einzusammeln und in den Recyclingkreislauf zu bringen* – und macht heute den wachsenden Wettbewerbsdruck für die mauen Sammelquoten verantwortlich. Bevor es so weit kam, hatte die GRS einen Marktanteil jenseits der achtzig Prozent und wurde per Verordnung von allen Batterieherstellern finanziert, die keine eigene Rücknahmelösung angeboten haben. Als gemeinnützige Stiftung steckte die GRS ihre überschüssigen Mittel beispielweise in die Entwicklung von klar gekennzeichneten Sammelbehältern für Batterien und in Informationskampagnen für Verbraucher. Ziel dabei war es, mehr Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu schaffen, die Abgabestellen von Altbatterien serviceorientierter zu gestalten und so die Sammelquote fortlaufend zu erhöhen.

RECYCLINGTIPPS

Wo kann man alte Batterien hinbringen?

Batterien und Akkus dürfen nicht im normalen Müll entsorgt werden oder in die Umwelt gelangen. Alle Läden, die Batterien verkaufen, sind verpflichtet diese unentgeltlich von den Kunden zurückzunehmen. Darüber hinaus gibt es freiwillige Annahmestellen z.B. an Universitäten. Wer sich fachkundig beraten lassen möchte, kann die Sammelstellen auf den Recyclinghöfen der Städte und Kommunen besuchen

Welcher weitere Müll gehört nicht in den Hausmüll und muss separat entsorgt werden?

Sondermüll wie Altöl, Renovierungsabfälle, Leuchtstoffröhren, aber auch alle Elektrogeräte und Haushaltsgeräte, Energiesparlampen, Quecksilberthermometer, Farben, gefüllte Spraydosen, Lösungsmittel, außerdem jegliche Chemikalien, Gifte und Salze und Mineralfaserwolle. Bei asbesthaltigen Abfällen raten Verbraucherzentralen nicht selbst damit zu arbeiten und die Entsorgung sachkundigen Unternehmen zu überlassen

Wo kann man Bescheid sagen, wenn man wilde Deponien findet?

Hier sind die jeweiligen kommunalen Reinigungsbetriebe zuständig, die meist über eine Hotline angerufen oder per App verständigt werden können und sich dann um die Abholung kümmern. Sind die Ablagerungen auf privatem Gelände, muss der Eigentümer für die Entsorgung bezahlen

MEHR LESEN

Doch 2009 löste das erste Batteriegesetz die zuvor geltende Verordnung ab und setze eine EU-Direktive um, die unter anderem mehr Wettbewerb forderte. Es sollte nun ein Nebeneinander von Solidarsystem GRS und profitorientierten Rücknahmefirmen der Hersteller geben. Knackpunkt war, dass die gemeinnützige Stiftung zu schlechteren Konditionen arbeiten musste als die Hersteller-Firmen und letztere ihre Dienste teils günstiger anbieten konnten. Das führte gerade in den vergangenen fünf Jahren dazu, dass einige, auch große Batteriehersteller zu ihnen abwanderten und es laut der GRS zu schweren Wettbewerbsverzerrungen kam. Auch Björn Bischoff vom Umweltbundesamt bestätigt, dass die gemeinnützige Stiftung höhere finanzielle Belastungen hatte als ihre profitorientierten Wettbewerber. „Damals konnte man noch nicht alle Konsequenzen absehen“, so Bischoff.

Eine dieser Konsequenzen war, dass die GRS 2020 ihren Sonderstatus als „Gemeinsames Rücknahmesystem“ aufgeben musste. Und auch mit einer höheren Sammelquote als der vorgeschriebenen soll es nun vorbei sein. In einem offiziellen Statement der Stiftung heißt es: „Der von der Bundesregierung gewünschte Kostenwettbewerb zwingt GRS Batterien dazu, die Sammelquote von zuletzt 76,1 Prozent** auf die neue gesetzliche Mindestsammelquote von 50 Prozent abzusenken.“ 

Das unterstreicht die Kritik von Verbraucherschützerin Stephanie Weller, die neue Gesetzgebung mit geringer Sammelquote sei aus Umwelt- und Verbrauchersicht enttäuschend. Denn Wettbewerb ohne konkrete Vorgaben und ambitionierte Ziele, die regelmäßig evaluiert und auch sanktioniert werden, begünstigt Akteure, die nur das Minimum leisten, um auf die gesetzlich festgelegte Sammelquote von fünfzig Prozent zu kommen. Alle Bemühungen, die darüber hinausgehen, lohnen sich dann aus wirtschaftlicher Perspektive nicht mehr – zu Lasten von Umwelt und Verbrauchern.   

<p>Bevor man seine Elektrogeräte in den Container werfen darf, muss man Batterien und Kabel entfernen</p>

Bevor man seine Elektrogeräte in den Container werfen darf, muss man Batterien und Kabel entfernen

Von diesem Wirtschaftskrimi hinter den Kulissen ist auf dem Recyclinghof in St. Pauli nicht viel zu spüren. Inzwischen hat es aufgehört zu schneien und die feine Schneedecke zeigt die markanten Profile von schwerem Schuhwerk. Gutknechts Mitarbeiter laufen zwischen den Containern hin und her, erklären den Leuten, welcher Abfall wohin gehört, oder zeigen ihnen, wie man die Batterien aus alten Elektrogeräten ausbaut und Gerät und Batterie getrennt voneinander entsorgt.

Das neue Batteriegesetz tangiert die Arbeit an der Sammelstelle kaum. „Nur die Beschriftung auf den Batteriebehältern hat sich ein bisschen geändert, aber das gibt’s öfter“, sagt Patricia Gutknecht. In ihrem Büro legt die Betriebsleiterin ihre Stirn in Falten und überlegt, wie man auf höhere Sammelquoten bei Altbatterien kommen könnte: „Wie soll man Leute dazu bringen, ihre Batterien zurückzugeben und nicht in den Restmüll zu schmeißen? Um wirklich irgendwann auf hundert Prozent zukommen, müsste man eigentlich ein Pfandsystem einführen.“  

2023 könnten Gutknechts Fragen beantwortet werden. Dann nämlich sollen die ersten Regelungen einer neuen EU-Verordnung für Batterien in Kraft treten, die wirklich ambitionierte Ziele hat – etwa bessere Verbraucherinformationen, gestaffelte Sammelquoten, eine Pflicht zu austauschbaren Batterien in Elektrogeräten sowie konkrete Sammel- und Recyclingziele für Lithium-Ionen-Batterien und die Metalle Kobalt, Blei, Lithium, Nickel und Kupfer. Nach der Enttäuschung über das neue Batteriegesetz in Deutschland ist es nun die Batterie-Verordnung aus der EU, auf die sich die Hoffnungen hiesiger Verbraucher- und Umweltschützer richten. „Ich hatte nicht erwartet, dass die geplante EU-Verordnung so weit geht“, schwärmt Verbraucherschützerin Weller. „Klar muss da noch nachgebessert werden, aber es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung“.

Gutknecht hingegen setzt weiter auf die Eigenverantwortung des Einzelnen – und hat einen Lesetipp für lange Abende in Pandemiezeiten: „Wir haben ja unsere Müll-Fibel, so nennen wir die Recyclingbroschüre der Stadtreinigung, da steht einfach alles drin“, sagt sie stolz und fügt aufmunternd hinzu: „Jeder sollte sich mal einen Abend Zeit nehmen und das durchlesen.“ Doch dann ist der optimistische Moment verflogen und sie fügt leise hinzu: „Aber diesen Aufwand macht sich wieder keiner.“

--------

*Hinweis: Wir haben den Text am 8. März 2021 korrigiert. Die Stiftung GRS war ab 1998 zwar mit einem sehr hohen Marktanteil für die Rücknahme der Batterien verantwortlich, aber es gab auch schon zu diesem Zeitpunkt andere Rücknahmeunternehmen von Herstellern. Allerdings spielten diese zunächst keine größere Rolle, zu den von der GRS monierten Wettbewerbsverzerrungen kam es erst in jüngster Zeit.

**Anmerkung der Redaktion: Da es unterschiedliche Auffassungen zur Berechnungsgrundlage der Sammelquote für das Jahr 2019 gibt, ist umstritten, ob die angegebene Prozentzahl ein vergleichbarer Wert für die Sammelquoten der anderen Systeme ist.