Tigerhaie suchen gern über tropischen Seegraswiesen nach Beute. Um die Ausdehnung des bedrohten Lebensraumes zu erkunden, haben Forschende sie mit Kameras bestückt – und so bei den Bahamas einen Rekord entdeckt.
Sie sind schnell, effizient und bei der Beutewahl nicht wählerisch: Tigerhaie. Bis zu fünf Meter lang, die Weibchen größer als die Männchen, schön gemustert und mit eindrucksvollem Revolvergebiss. Zwar ist das Risiko eines Haiangriffs auf Menschen bekanntlich verschwindend gering: Die tödlichen Fälle pro Jahr lassen sich an den Fingern zweier Hände abzählen. Kommt es aber doch einmal zur Attacke auf Wassersporttreibende, ob bei Hawaii oder vor Hurghada, sind tatsächlich oft Tigerhaie beteiligt – laut Statistik nach dem Weißen Hai die gefährlichste Art der Welt.
Forschende schreckt das naturgemäß nicht, im Gegenteil: Für den US-Meeresbiologen Austin Gallagher sind sie faszinierende Forschungsobjekte – und Forschungspartner. „Sie sind die Schweizer Taschenmesser der Haiwelt“, sagt der Gründer der Organisation Beneath The Waves, „mit einem unglaublich flexiblen Nahrungsspektrum und breit gefächertem Verhalten.“ Gallagher hat festgestellt, dass Tigerhaie auf der Suche nach Beute häufig über Seegraswiesen streifen, ein ozeanischer Lebensraum, dessen Erforschung lange vernachlässigt wurde, der aber gerade in den Fokus der Wissenschaft rückt.
Seegras – keine Alge, sondern marine Blütenpflanze – bildet nicht nur artenreiche Lebensräume, es speichert auch viel Kohlenstoff im Boden, eine Eigenschaft, die es zum Verbündeten im Kampf gegen die Erderhitzung macht. Gallagher hat sich die Seegrasliebe der Haie zunutze gemacht und als Teil eines Forschungsprojekts zwischen 2016 und 2020 bei sieben Tieren teils vom Boot, teils tauchend, Kameras an den Brustflossen befestigt. Ziel war es, die Ausdehnung der Wiesen auf den Bahama Banks, einem riesigen Flachwassergebiet rund um die gleichnamige Inselgruppe nördlich von Kuba, besser beziffern zu können – auf Satellitenfotos lässt sich Seegras nicht immer klar erkennen. Die Ergebnisse der Arbeit erschienen im Fachblatt „Nature Communications“.