Liebe Leserinnen und Leser,

wer sein Leben nicht gerade unter einem Stein verbringt, wird sicher die neuesten  Irrungen und Wirrungen um den US-Präsidentschaftswahlkampf aufmerksam verfolgen, der durch den Rückzug Joe Bidens kürzlich unverhofft neuen Schwung bekommen hat. Erstmals scheint ein Sieg der Demokraten wieder möglich, und die Rolle des alten weißen Mannes hat Trump jetzt plötzlich exklusiv.

Wenn aber Donald der Orangefarbene doch zum zweiten Mal ins Weiße Haus einzieht, was ja keinesfalls ausgeschlossen ist, können sich die USA und der Rest der Welt auf allerhand gefasst machen. Um- beziehungsweise Abbau demokratischer Strukturen werden voranschreiten, in der Außenpolitik wird es darum gehen, mit wem man einen Deal machen kann, und die Kehrtwende in der Umwelt- und Klimapolitik wird nicht lange auf sich warten lassen.

Einen Vorgeschmack bekam man schon während Trump I: Gleich zu Beginn genehmigte er per Dekret umstrittene Ölpipelines wie Keystone XL, die von Kanada in die USA führt, und Dakota Access. Das Keystone-Projekt haben dessen Betreiber mittlerweile aufgegeben, über Dakota Access ist immer noch nicht endgültig entschieden.

2017 kündigte Trump dann an, die USA würden aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen – wegen der „drakonischen finanziellen und wirtschaftlichen Belastungen für unser Land durch das Abkommen“. Er berief sich dabei auf die Studie einer Beratungsfirma, die für die Öl- und Gasindustrie arbeitete und von der US-Handelskammer beauftragt worden war.  

Andrew Wheeler, zu der Zeit Chef der Umweltbehörde EPA, war ein ehemaliger Kohlelobbyist. Er leistete ganze Arbeit: Unter seiner Ägide wurden über 100 Umweltvorschriften rückgängig gemacht. Gern behilflich war bei dem ökologischen Rollback auch der überwiegend konservativ besetzte Supreme Court, z. B. durch das Aufweichen des Schutzes von Feuchtgebieten und das Verbot, den Treibhausgasausstoß von Kraftwerken zu regulieren.

Bei einem Wahlsieg Trumps am 5. November könnte es noch viel schlimmer kommen, falls die USA nicht nur das Pariser Klimaabkommen aufkündigen, sondern aus dem Klimarahmenabkommen von 1992 aussteigen. Damit würde auch die Verpflichtung entfallen, jedes Jahr einen Bericht über das Inventar von Treibhausgasen vorzulegen. Nach Analysen von Carbon Brief, die sich mit Klimapolitik und -wissenschaft auseinandersetzt, könnte ein Wahlsieg Trumps der Atmosphäre bis 2030 vier Millliarden Tonnen an zusätzlichen Treibhausgasen bescheren – so viel wie die jährlichen Emissionen der EU und Japans zusammen.

Mit Sicherheit würde Bidens Inflation Reduction Act rückabgewickelt, der grüne und klimafreundliche Technologien fördert. Besonders die Förderung von Elektrofahrzeugen ist den Konservativen ein Dorn im Auge. Die beim Parteitag der Republikaner ausgegebene Losung „Drill, Baby, Drill“ darf man getrost wörtlich nehmen: Es soll auf Teufel komm raus nach Öl und Gas gebohrt werden, gern auch im Golf von Mexiko oder in der Arktis.

Von Schnickschnack wie Arten- und Naturschutz wird man sich hingegen zügig verabschieden; Grizzlybären, Wölfe, Zugvögel und andere Wildtiere müssen halt sehen, wo sie bleiben. Mehr Holzeinschlag, Lockerung bei Gesetzen zur Luft- und Wasserreinhaltung – alles, was die Wirtschaft irgendwie stören könnte, wird abgeschafft oder aufgeweicht.

Die Frage „Was, wenn Trump die Wahl gewinnt?“ lässt sich also, was ökologische Grausamkeiten betrifft, ziemlich exakt beantworten, auch wenn er möglicherweise nicht alles davon umsetzen kann oder will.

Sollte er nicht gewinnen, brauchen wir uns wohl kaum darauf einzustellen, dass er seiner mutmaßlichen Konkurrentin Kamala Harris zum Wahlsieg gratuliert und ihr vielleicht noch einen Blumenstrauß schickt. Insofern lautet die vielleicht noch interessantere Frage: „Was, wenn Trump die Wahl verliert?“

Unterschrift

Kerstin Eitner
Redakteurin

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