Liebe Leserinnen und Leser,

in Nordeuropa herrschen wunderliche Bräuche. Ein Dreivierteljahr ist es dunkel, kalt, windig, nass oder verschneit, die Bevölkerung verstimmt oder verschnupft. Kaum wird es mal kurz wärmer, heller und grüner, setzt eine Fluchtbewegung ein: dorthin, wo es erstens brechend voll (alle anderen sind auch da), zweitens atemberaubend teuer und drittens viel zu heiß ist. Zwar gönnt sich der Sommer 2024 selbst ausgedehnte Pausen, doch sonst läuft alles wie immer: Die parlamentarische S. beginnt in Kürze, dito Schul- und Kitaferien; bald werden Schilder an geschlossenen Läden, Bäckereien, Cafés, ja sogar Arztpraxen verkünden, man sei ab dem Soundsovielten „wieder für Sie da“. TV-Sendungen von Telenovela über Talkshow bis Tatort pausieren von Mai bis September und werden durch unbekömmliche Konservenkost ersetzt. Für Alte, Arme und Behinderte muss das reichen. Theater sind zu, Kinos zeigen fast nur noch leichte Liebeskomödien oder herzige Familienfilme.

Kurzum, alles kommt mehr oder weniger zum Erliegen. Alles? Nein! Das atmo-Team hat in den letzten Tagen und Wochen intensiv und konzentriert an seiner Lebensgrundlage gewerkelt, wenn man so will – nämlich an den Abo-Seiten. Und, Fanfare, jetzt ist es so weit: Wer atmo abonnieren und/oder ein Abo verschenken möchte, bitte sehr, dem Vorhaben steht rein gar nichts mehr im Weg. Es lässt sich im Übrigen sehr bequem vom Liegestuhl aus erledigen. Gezahlt wird erst, wenn es wirklich losgeht. Die Messlatte liegt bei 17.000 Abo-Zusagen bis Mitte Dezember, um atmo Anfang nächsten Jahres zur Startrampe zu rollen und auch dieser kleinen Kolumne zum Weiterleben zu verhelfen, damit wir nicht im September tränenreich voneinander scheiden müssen. Und es sieht gut aus, knapp 1.800 sind innerhalb von ein paar Tagen schon erreicht. Ich bin sicher, auch den Rest schaffen Sie spielend!

Apropos spielend – zum Sommerpausenauftakt wird ja dieses Jahr eine Fußball-EM geboten. Da ich in der Einflugschneise zwischen Fanfest und Reeperbahn wohne, bin ich auch als Nichtfan immer mittendrin. Ob orange, rot-weiß kariert oder schwarz-rot-gold, die Fans haben den unbedingten Willen zur Party und zeigen stimmlich sowie an der Autohupe große Ausdauer. Das ist nun ein besonderes Highlight, aber in der Hansestadt Hamburg, vermutlich auch in vielen anderen Städten, beginnt ohnehin grundsätzlich ab Mai die Eventsaison.

Hier heißt das: Hafengeburtstag, Cruise Days, Eurovision Song Contest (Punktevergabe live von der Reeperbahn, yeah!), Marathon, Triathlon, Cyclassics-Radrennen sowie Schlagermove und, als vorläufiger Höhepunkt in Sachen lass krachen: die Harley Days, Tausende Motorräder – Verbrenner, klar doch – und Hunderttausende Schaulustige. Sommer ist erst, wenn es ordentlich dudelt, röhrt und brüllt! Wie hieß es doch bei der Band Nirvana: Here we are now, entertain us. Da sind wir, unterhaltet uns.

Als Anwohnerin des Hamburger Ballermanns, zugezogen als Studentin in Prä-Ballermannzeiten ausgerechnet von der schönen Insel Sylt (zuletzt aus unschönem Grund präsent auf allen Kanälen), kann ich gut nachvollziehen, dass Urlaubende mittlerweile nicht mehr überall mit einer ausgeprägten Willkommenskultur rechnen können. Auf den Balearen, den Kanaren, in Venedig, ja sogar auf Sylt und an vielen anderen Orten wird protestiert und viel über Overtourism diskutiert.

Vorläufig begnügen sich die allzu begehrten Reiseziele noch mit eher dezenten Vergrämungs- oder Erziehungsversuchen: Verbote und Geldstrafen für bestimmtes Verhalten, Eintritt, Infokampagnen, Werbung für weniger bekannte, vom Tourismus noch nicht heimgesuchte Orte. An Abschiebungen wird bislang nicht gedacht.

Vielleicht liegt es an meinen Tourismuserfahrungen von der anderen Seite – während meiner Schulzeit habe ich im Sommer in der Gastronomie, als Zimmermädchen oder Verkäuferin gejobbt – dass ich mich als Durchschnittsurlauberin nicht eigne. Pauschalreise, Hotel, Halbpension, alles nicht mein Ding. Versucht habe ich es, aber es gefällt mir nicht. Die besten Reisen hatten entweder, solange man jung genug war, eine gewisse Abenteuerkomponente oder führten in die Gästezimmer von Leuten, die man kannte. Die wiederum konnten einem Dinge zeigen, die eine gewöhnliche Touristin eher nicht zu sehen bekommt.

Da ich Anfang Juli nach einer halben EM, einer ganzen Heftproduktion des vorletzten Greenpeace Magazins und dem dreitägigen Getöse der besagten Harleys am letzten Juniwochenende vermutlich einigermaßen zermürbt und sehr urlaubsreif sein dürfte, mache ich genau das: Ferien bei netten Menschen in einem sehr, sehr ruhigen Dorf im holländischen Friesland mit Ausblick auf einen kleinen Kanal. Seerosen wachsen dort, Enten ziehen vorbei und gelegentlich Ruderboote. Außer den Vögeln macht niemand Spektakel. So stelle ich mir das vor. Ich glaube, Instagram war noch nicht da, und das soll so bleiben.

Wir lesen uns irgendwann in der zweiten Julihälfte wieder, und dann ist auch schon fast Zeit für den Endspurt beim Greenpeace Magazin. Bis dahin wünsche ich Ihnen einen schönen, möglichst eventarmen Sommer.

Unterschrift

Kerstin Eitner
Redakteurin

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