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Rückbau von Windkraft-Anlagen auf See - neue Chancen für Häfen? Von Eckart Gienke, dpa
Die Windenergie auf See ist kaum den Kinderschuhen entwachsen und in Deutschland noch stark im Aufbau. Dennoch wird auch der Rückbau von alten Windrädern schon ein Problem - und ein neuer Markt. Hamburg (dpa) - Der Rückbau von Windkraftanlagen in der Nordsee wird in den kommenden Jahren erheblich zunehmen und teurer als geplant. Das ist das Ergebnis von Studien des Hamburgischen Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI und anderer Institutionen, die sich in einem gemeinsamen internationalen Projekt zusammengefunden haben. Demnach sind noch in diesem Jahr 22 Windräder aus der Nordsee zu entfernen, wie das HWWI mitteilte. Im Jahr 2023 werden es bereits 123 Turbinen und im Jahr 2030 mehr als 1000 Windkraftwerke sein, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Wegen der schwierigen Witterungsbedingungen auf See und der aufwendigen Wartung wird die technische Haltbarkeit von Offshore-Windrädern auf lediglich 20 bis 25 Jahre geschätzt und damit fünf bis zehn Jahre kürzer als an Land. Danach werden die Anlagen entweder runderneuert und verstärkt (Repowering) oder komplett zurückgebaut und entsorgt. Die deutschen Offshore-Windkraftwerke sind zunächst nicht betroffen, weil die ältesten Anlagen erst gut zehn Jahre alt sind. Es gibt aber ältere Windkraftwerke in der Nordsee, etwa in Skandinavien, den Niederlanden und Großbritannien. Erste Erfahrungen mit dem Rückbau von Windkraftwerken auf See konnten die beteiligten Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits bei rund 20 Einzelanlagen und kleinen Windparks in mehreren Ländern sammeln, vornehmlich in Schweden und Dänemark. Ein standardisiertes Verfahren gibt es jedoch noch nicht, dazu ist die Branche zu jung. Der Rückbau soll möglichst umweltfreundlich sein und wenig CO2 freisetzen. «Die bisherigen Rückbauprojekte haben einen Mangel an Dokumentation offengelegt», sagte der HWWI-Forscher Mirko Kruse. «So waren beispielsweise die verwendeten Materialien der Anlagen nicht im Einzelnen aufgeführt, und auch die Menge des verwendeten Betons im Fundament lag deutlich höher als ursprünglich angenommen.» Nicht alle Firmen, die als Pioniere die ersten Windkraftanlagen im Meer errichteten, existieren noch - und damit auch keine Baudokumente. Unterschiedlich geregelt seien auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen den einzelnen Nordsee-Anrainerstaaten, die sich zudem in Einzelheiten sogar widersprächen, heißt es in der Studie. Ob die Betonfundamente der Anlagen also beispielsweise an ihrem Platz bleiben dürfen, während nur die Aufbauten entfernt werden, oder was mit den Stromkabeln auf und im Meeresgrund passiert, ist bisher nicht einheitlich geregelt. Die Windkraftbranche durchläuft damit die gleiche Entwicklung wie zuvor schon die Öl- und Gasförderung, die nach der Erschöpfung der Felder Hunderte von Förderplattformen in der Nordsee zurückbauen muss. Dafür gibt es bereits viele hoch spezialisierte Firmen; es geht um ein Milliardengeschäft. Ähnlich könnte es in der Windindustrie kommen. Spätestens wenn die Zahl der in die Jahre gekommenen Anlagen anzieht, wird aus dem Abriss auch ein gewinnbringendes Geschäft für spezialisierte Firmen und Standorte. «Wir benötigen gute Rückbaukonzepte, um ökonomisch und ökologisch effizient zu agieren und somit auch nachhaltig zu arbeiten», sagte Silke Eckardt, Professorin für Zukunftsfähige Energieversorgung und Ressourceneffizienz an der Hochschule Bremen. Die Kosten für den Rückbau einer Windkraftanlage liegen zwischen zwei und zehn Prozent der Investitionskosten, je nach Lage und Ausrüstung, und sind damit nicht zu vernachlässigen. Schon jetzt stehen mehr als 4500 Windräder in der Nordsee, und es werden in jedem Jahr mehr. Auch die Häfen versprechen sich neue Chancen. «Insbesondere Norddeutschland kann mit seinen Seehäfen wichtige Anlaufstellen für zukünftige Aktivitäten in diesem Bereich schaffen», sagte Isabel Sünner vom HWWI. Neben infrastrukturellen Engpässen fehle es allerdings absehbar an qualifiziertem Personal, um den Rückbauprozess zu begleiten. «Wenn sich jedoch die Häfen und nachgelagerten Industrien jetzt zeitnah auf die kommenden Herausforderungen einstellen, ergibt sich ein neues Betätigungsfeld für die norddeutschen Standorte.»