Wegweiser
Charlotte Kehne
Einen Menschen zu erschießen, dauert keine Sekunde – die Mitschuldigen zur Rechenschaft zu ziehen manchmal eine Ewigkeit. Als in nur einer Nacht im September 2014 im mexikanischen Bundesstaat Guerrero 43 Menschen entführt und sechs erschossen wurden, nur weil sie demonstrieren wollten, fasste die damalige Studentin Charlotte Kehne den Entschluss, der Gewalt in der Ferne nicht mehr länger tatenlos zuzusehen. Doch je intensiver sie sich mit den Ursachen der weltweiten Waffengewalt befasste, desto deutlicher wurde für sie die Verbindung zu ihrer eigenen Heimat. Zu Deutschland.
Deshalb ist Charlotte Kehne heute als Aktivistin des Vereins „Ohne Rüstung Leben“ aktiv. Denn wenn im Ausland gemordet wird, ist deutsche Ingenieurskunst oft beteiligt. Wie beim Massaker von Guerrero, wo man tags darauf Sturmgewehre des Typs G36 sicherstellte – die offizielle Bundeswehrwaffe aus dem Hause Heckler & Koch. Weil das Auswärtige Amt Waffenlieferungen in diesen Teil Mexikos aufgrund von Menschenrechtsverletzungen verboten hatte, läuft seit Mai ein Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter der Firma aus dem beschaulichen Oberndorf am Neckar, darunter auch Manager. Kehne begleitet die Verhandlungen, organisiert Mahnwachen und lässt den Bruder eines erschossenen Studenten einfliegen, damit er an den Gerichtsterminen teilnehmen kann.
Zusätzlich hält sie ein kleines Wertpapierdepot, unter anderem mit Aktien von Heckler & Koch. Was erst einmal überrascht, ist ein taktischer Schachzug der „Kritischen Aktionäre“. Als Inhaberin eines Wertpapiers hat sie das Recht, auf der jährlichen Hauptversammlung Fragen an die Konzernleitung zu stellen. Fragen, die öffentlich und auf der Stelle beantwortet werden müssen. Kehne, die auch Sprecherin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ ist, freut sich auf diese Auftritte, bei denen sie Verantwortliche zur Rede stellen und manchen Boss ins Schwitzen bringen kann.
„Ich durfte hier in Frieden aufwachsen, während anderswo dieses Recht auch durch deutsche Waffen eingeschränkt ist“, sagt sie. „Gewalt ist das schlimmste Übel, das Menschen einander antun können. Wir müssen die Firmen, die dafür mitverantwortlich sind, mit den Folgen konfrontieren.“
ohne-ruestung-leben.de