Wegweiser
Daniela Antoni
Ein Herz für knorrige Kumpane
Stadtbäume müssen viel aushalten. Im Sommer heizt ihnen der Asphalt ein, im Winter setzt ihnen das Streu salz zu. Mal regnet es zu wenig, und auch bei Stark regen kann der versiegelte Boden oft nicht genug Wasser speichern. Hunde pinkeln an die Rinde, Leitungen engen die Wurzeln ein. Und weil Stadtbäume still leiden, möchte Daniela Antoni ihnen „eine Stimme geben“. Die 44-Jährige aus Stockstadt ist selbstständige Baumsachverständige in Bayern. „Der Stadtbaum kühlt, spendet Schatten und filtert Abgase“, sagt sie, „und je älter er wird, desto mehr Tiere, Pilze, Flechten und Moose siedeln sich auf, an oder in ihm an.“ Antoni hat Forstwissenschaften und Waldökologie studiert, wollte dann aber doch nicht Försterin werden, weil sie den Wald nicht als bloßen Wirtschaftsfaktor sieht.
Antoni wird gerufen, wenn die Stadt, eine Firma oder Privatleute wissen wollen, ob Bäume krank sind, umstürzen oder auseinanderbrechen könnten. Sie klopft den Baum dann mit einem Gummihammer nach Hohlstellen oder Pilzbefall unter der Rinde ab oder beurteilt das Holz per Ultraschall. „Leider wollen die Menschen dann häufig fällen“, sagt sie. Oft gehe es um Verkehrssicherheit, andere finden einen kranken Baum einfach unschön. Antoni versucht, die Baumbesitzer und Lokalpolitikerinnen davon zu überzeugen, sogenannte Habitatbäume abzusichern, damit sie noch Jahrzehnte stehen bleiben können.
Denn in Baumhöhlen nisten Vögel, auch Fledermäuse nutzen sie als Kinderstube, Eichhörnchen verstecken dort Vorräte. In Rissen beginnen Pilze und Bakterien mit der Zersetzung des Holzes. Insekten legen darin ihre Eier – was wiederum Vögel anlockt. „Wir sprechen von Mikrohabitaten, kleinen Lebensräumen für teils hochspezialisierte Arten“, sagt Antoni. Rund hundert davon kann ein Habitatbaum beherbergen. Dazu zählt der seltene Juchten käfer, der seine Eier im Mulm ablegt, wie man faserigbröckliges Holz nennt, das von einem Großpilz zersetzt wird.
Antoni informiert in Medien und im Netz über diese „Schatzkammern der Biodiversität“, wie sie die Bäume nennt. „Wir befinden uns mitten im sechsten Massensterben. Da geht es um jeden Lebensraum, den wir erhalten können.“