Wegweiser
Gabriele Fuchs
Kempten liegt im Allgäu, Andijan in Usbekistan. Um die 7000 Kilometer dazwischen zu bewältigen, ist ein Viehtransporter lange unterwegs. „Wie sehen die Rinder aus, wenn sie nach neuneinhalb Tagen ankommen und die letzten fünf Tage bei Pausen nicht entladen wurden?“, fragte sich Gabriele Fuchs. Als Amtstierärztin des Landkreises Oberallgäu sollte sie 2012 einen Viehtransport für 92 trächtige Zuchtkühe absegnen. Aus den Transportplänen ging hervor, dass die Regeln der Europäischen Union nur bis zu deren Grenzen erfüllt werden sollten. Die EU-Tierschutzbestimmungen erlauben maximal 29 Stunden Fahrt, danach müssen sich die Tiere die Beine vertreten können; bei dieser Gelegenheit wird der Transporter von Urin und Kot gereinigt. Doch ab der EU-Grenze sollte der Konvoi tagelang durchfahren. Die Fahrer hätten sich die Beine vertreten können, die Tiere nicht.
Gabriele Fuchs stellte sich quer. „Ich wollte nicht mit meinem Namen die Tierquälerei auf der Strecke absegnen“, sagt die heute 52-Jährige. Sie fand eine Verbündete in der damaligen Rechtsrätin des Landkreises, Nadine Briechle. Mit ihrer Unterstützung verweigerte die Veterinärin ihre Zustimmung zu dem Transport. Es folgte ein Rechtsstreit mit dem Exporteur und nach drei Jahren ein Beschluss des Europäischen Gerichtshofs. Ein Tiertransport aus der EU in ein anderes Land muss auf der gesamten Strecke den EU-Vorschriften entsprechen, sagten die Richter. Ein Sieg für den Tierschutz – der jedoch kaum zur Kenntnis genommen wurde.
Das wollte die Tierärztin ändern und hat deshalb begonnem, Vorträge vor ihren Kollegen zu halten. „Wenn ein Transport nicht nachvollziehbar und nicht tierschutzkonform ist, dann sollten wir Veterinäre mutig sein und Nein sagen!“ Allmählich kommt ihre Botschaft an: Im Januar 2019 verweigerte eine bayerische Amtstierärztin einem Langstrecken-Tiertransport ein notwendiges Zeu gnis, weitere Veterinärämter im Freistaat zogen nach. Das bayerische Umweltministerium reagierte mit einem Exportstopp für Tiertransporte in Drittländer und erklärte, der Tierschutz solle in Zukunft konsequent nicht mehr an der Landesgrenze enden. Gabriele Fuchs hofft, dass möglichst bald andere Bundesländer nachziehen.