Wegweiser
Heinz Ostermann
Der Ortsteil Rudow liegt weit hinter dem S-Bahn-Ring im Süden des Berliner Bezirks Neukölln. Er wirkt auf den ersten Blick beschaulich. Und auf den zweiten Blick bedrohlich, denn Rudow ist bekannt für seine rechtsextreme Szene. Migranten, Politiker und Flüchtlingshelfer werden hier immer wieder bedroht und angegriffen.
Heinz Ostermanns Buchhandlung „Leporello“ ist im Stadtteil der Fels in der Brandung. „Lesen hat mit Weltverständnis zu tun, es geht darum, den Horizont zu erweitern“, sagt der 61-Jährige. Sein Geschäft soll ein Ort des Austausches und der Begegnung sein. Als die AfD im September 2016 ins Berliner Abgeordnetenhaus einzog, gründete er zusammen mit anderen die Initiative „Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus“, um mit Lesungen und Podiumsdiskussionen „der rechten Meinungsmache etwas entgegenzusetzen“, wie Ostermann sagt.
Mitglieder der rechten Szene reagierten darauf mit Gewalt. Sie beschatteten den Buchhändler, zündeten im Herbst 2016 seinen Wagen an, warfen die Scheibe der Buchhandlung ein. Im Februar 2018 brannte auch sein mithilfe von Solidaritätsspenden neu gekauftes Auto aus. Die Polizei ermittelt, bisher ohne Ergebnis.
Ostermanns Antwort darauf lautet: weitermachen. Trotz der Sorgen, die sein Engagement begleiten. Er organisiert das Lesefestival „Rudow liest“, mobilisiert mit der Initiative „Rudow empört sich“ gegen rechtsextreme Angriffe und organisiert weiterhin Veranstaltungen, die der Angst mit Offenheit begegnen sollen. Für seinen Einsatz wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt sein Buchladen 2017 den Deutschen Buchhandlungspreis. Die größte Unterstützung sind ihm aber seine Kunden in Rudow: Schüler, Arbeiter, Rentner aus dem Kiez, die hier ihren Lesestoff kaufen. „Wir sollten nicht darauf warten, dass Rassismus und Rechtspopulismus sich von selbst erledigen“, sagt Ostermann. „Es ist unsere Aufgabe, den Mund aufzumachen und für unsere freie Gesellschaft einzustehen.“
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