Wegweiser
Marina & Sabine Lewandowski
Selbstverwirklichung im Familienbetrieb
Neulich ist Marina Lewandowski das erste Mal zur Post gegangen. Allein. Ihr Vater konnte die Pakete nicht wegbringen, also übernahm sie. Aufregend sei es gewesen, mit fremden Menschen zu sprechen und Verantwortung zu übernehmen. Marina war stolz. Mit 35 Jahren ist sie die jüngste von vier Schwestern und mit dem Downsyndrom auf die Welt gekommen. In den Päckchen steckten die Hautcremes, die sie zusammen mit ihrer Familie herstellt und online verkauft. Mari & Anne heißt ihr kleines Unternehmen im unterfränkischen Kitzingen.
Die Idee entstand 2006, als die zweitjüngste Tochter Sabine an einer Hautkrankheit litt. Mutter Marianne experimentierte mit selbstgemachten Cremes und Seifen. Schon ihre Großmutter hatte ihre Ringelblumensalbe selbst angerührt. Sabines Haut verbesserte sich. Marianne machte weiter und verkauft ihre natürlichen und plastikfreien Pflegeprodukte auf Wochenmärkten, neben ihrer Arbeit als Krankenschwester.
Das Beste daran: Aus dem Experiment wurde ein Vollzeitjob für Tochter Marina. Vorher arbeitete sie in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen, für viele Jahre ihr Zuhause, wie Marina sagt. Doch die Arbeit dort sei auch monoton und kaum kreativ gewesen. Nun füllt Marina mit Mundschutz, Haarnetz und weißem Kittel Cremes ab, gestaltet Postkarten am Tablet, besucht Veranstaltungen und Messen. "Am meisten gefallen mir das Zeichnen, das Produzieren und das Verpacken", erzählt sie.
In Deutschland leben rund 50.000 Menschen mit dem Downsyndrom. Ihnen fehlt es, so Sabine Lewandowski, noch immer an Sichtbarkeit, an Gleichberechtigung und an Zugang zum Arbeitsmarkt. "Marina traut sich mehr und ist selbstständiger geworden", sagt ihre Schwester, die sich als Fotografin um die PR kümmert. Ihre Firma schafft ein kleines Plus, aber nur, weil sie und ihre Mutter sich keinen Lohn auszahlen. Das Ziel: "Wir wollen Menschen mit Downsyndrom eine Stimme geben – sie sind wertvoller Teil unserer Gesellschaft", sagt sie.